Nanotechnologie

Schnappschüsse an der atomaren Grenze

Wechselwirkungen der Atome an der Grenzfläche zwischen einem flüssigem Metall und einem Kristall beobachtet

Ein flüssiger Aluminium-Tropfen an der Grenzfläche zu kristallinem Aluminiumoxid © MPI für Metallforschung

Die Halbleitertechnologie hat längst den Nanometerbereich erreicht – Leiterbahnen auf modernen Computer-Chips sind heute nur noch einige Dutzend Nanometer breit. Für ihre Herstellung sind jedoch die Prozesse entscheidend, die sich an der Grenzfläche zwischen flüssigen und festen Materialien abspielen. Wissenschaftlern ist es jetzt erstmals gelungen, diese atomaren Wechselwirkungen direkt an der Grenzfläche zwischen flüssigem Aluminium und festem Aluminiumoxid (Saphir) zu beobachten.

Mittels Hochspannungs-Elektronenmikroskopie konnten die Wissenschaftler des Max-Planck-Institut für Metallforschung in Stuttgart und des Israel Institute of Technology in Haifa nachweisen, dass Kristalle in der Lage sind, die Atome in benachbarten flüssigen Metallen zu ordnen, selbst bei hohen Temperaturen. Diese Erkenntnisse sind wichtig, wenn beispielsweise Oberflächen mit Flüssigkeiten benetzt werden sollen – wie beim „Löten“ Nanometer-kleiner Kontaktstellen. Die Ergebnisse der Studie sind in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Science erschienen.

Edelstein als Versuchsobjekt

Unter einem Saphir stellt sich der Laie einen blau schimmernden Halbedelstein vor, der zum Beispiel als Tonabnehmernadel im Plattenspieler benutzt wird. Für Wissenschaftler ist Saphir jedoch nur eine bestimmte Form von Aluminiumoxid (α-Al203, auch: Korund). Dieses sehr stabile Aluminiumoxid wird in vielen technologischen Bereichen eingesetzt, in der Halbleitertechnologie beispielsweise isoliert es elektronische Bauteile. In dieser Branche – aber auch bei vielen anderen technologischen Prozessen (z.B. Erstarrung, Kristallwachstum, Schmierung) müssen die Herstellungsverfahren in immer kleineren Dimensionen durchgeführt und optimiert werden.

Bisherige Studien mithilfe von Röntgenbeugung und Computersimulationen haben bereits gezeigt, dass es sehr dicht an der Grenzfläche zu Dichteschwankungen in der flüssigen Phase kommt. Um diese Prozesse mit hoch auflösender Transmissions-Elektronenmikroskopie näher untersuchen zu können, wählten die Wissenschaftler als Versuchssystem flüssiges Aluminium sowie den Saphir. Sie erhitzten dieses Materialsystem auf Temperaturen von 850 Grad Celsius, was oberhalb des Schmelzpunktes von Aluminium (660 Grad Celsius) liegt und beobachteten es in einem Hochspannungs-Elektronenmikroskop mit einer Auflösung von 0,12 Nanometern.

Dichte nicht einheitlich

Das Stuttgarter Transmissions-Elektronenmikroskop JEM-ARM 1250, JEOL, gehört zu den am höchsten auflösenden Geräten seiner Art weltweit. Mit diesem Mikroskop haben die Max-Planck-Wissenschaftler nun zum ersten Mal im Bild festgehalten, dass die Dichte der Atome in flüssigem Aluminium direkt an der Grenzfläche nicht einheitlich ist. Es stellen sich Dichtefluktuationen ein. Als Folge kleiner Änderungen der Experimentierbedingungen ließen sich außerdem das Wachstum des Saphirs aus flüssigem Aluminium sowie das Eindringen von Sauerstoff-Atomen entlang der Grenzfläche beobachten.

Im Film festgehalten

Das Ergebnis des Reaktionsgeschehens bannten die Forscher auf Videofilm mit 25 Bildern pro Sekunde. Den Wissenschaftlern ist es gelungen, stichhaltige Ergebnisse unbeeinträchtigt durch mögliche Artefakt-Effekte zu erzielen. Die Aufnahmen zeigen, wie sich die Atome des flüssigen Aluminiums an der kristallinen Grenzfläche anordnen. Erkennbar geworden ist, dass sich die Grenzfläche dynamisch entwickelt und der Kristall lagenweise wächst. Die Forscher folgern daraus, dass Kristalle die Anordnung von Atomen in Flüssigkeiten induzieren können – sogar in Metall-Keramik-Systemen unter hohen Temperaturen.

Die mit dem oben beschriebenen Materialsystem gewonnenen Erkenntnisse können nützlich sein für „Lötprozesse im Nanometerbereich“, welche künftig für die Produktion von Speicherchips von Bedeutung sein können. Dieses Projekt wurde gefördert durch die Max-Planck-Gesellschaft, den German-Israel Fund, die Deutsche Forschungsgemeinschaft (Graduiertenkolleg „Innere Grenzflächen“) und das Russell Berrie Nanotechnology Institute in Technion, Israel.

(MPG, 29.11.2005 – NPO)

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