Neutronen durchdringen Materie spurlos und völlig zerstörungsfrei. Dabei liefern sie ein detailliertes mikroskopisches Bild vom atomaren Innenleben des „durchleuchteten“ Materials. An der Forschungsneutronenquelle Heinz Maier-Leibnitz in Garching wird deshalb heute ein neuartiges Neutronen-Röntgen-Reflektometer von der Technischen Universität München und vom Max-Planck-Institut für Metallforschung eingeweiht. Das N-REX+ („Neutron Reflectometry & X-Rays“) soll neue Erkenntnisse über verschiedene Nanomaterialien liefern.
N-REX+ und das an der Neutronenquelle bereits in Betrieb genommene TRISP („Triple axis resonance spin echo spectrometer“) sind zwei weltweit einzigartige Neutronenspektrometer, die als „Spione in der Nanowelt“ insbesondere den mikroskopischen Mechanismus der Hochtemperatur-Supraleitung sowie atomare Prozesse an den inneren Grenzflächen von künstlichen Vielfachschichten und dünnen Filmen untersuchen sollen.
Zoom in die Nanowelt
Neue Technologien erfordern es, auch bisher unbekannte Materialien zu entwickeln und deren Eigenschaften und Funktionen auf mikroskopischer und nanoskopischer Ebene zu verstehen. Künftige Materialstrukturen werden immer kleiner und komplexer, bis hin zu atomaren Abmessungen.
Dabei geht es um Materialien und Materialkombinationen aus allen Klassen, also Metalle, Halbleiter oder Keramiken bis hin zu organischen und biologischen Materialien. Um die Funktionen derartig komplexer Systeme gezielt manipulieren zu können, müssen die Wissenschaftler zuerst über detaillierte Kenntnisse ihrer chemischen, elektronischen oder magnetischen Strukturen verfügen. Hierbei spielen Neutronen als „Spione in der Nanowelt“ eine entscheidende Rolle.
Seit einem Jahr erzeugt die Garchinger Hochflussquelle Neutronen von hoher Brillanz. Insbesondere magnetische Nanostrukturen und strahlungsempfindliche organische und biologische Materialien können geradezu ideal mit Neutronen bis auf die atomaren Strukturen entschlüsselt werden.
Spin als Hilfsmittel
Die Neutronenspektrometer N-REX+ und TRISP untersuchen komplexe Festkörperstrukturen und funktionale Dünnfilmsysteme mit einem neuen Analyse-Konzept. Dabei nutzen die Forscher die quantisierte Eigendrehung des Neutrons („Spin“), dessen Drehgeschwindigkeit man durch ein äußeres Magnetfeld präzise einstellen kann.
Prof. Helmut Dosch, Koordinator des Forschungsprojektes, meint dazu: „Jedem Neutron wird mit dem Spin auf seiner Reise durch die Nanowelt eine individuelle Uhr auf den Weg gegeben, die man am Ende der Reise, wenn also das Neutron detektiert wird, wieder auslesen kann. Damit lassen sich kleinste Ablenkungen und Geschwindigkeitsänderungen des Neutrons nachweisen, aus denen man dann wiederum auf Struktur und Eigenschaften des untersuchten Materials schließen kann.“
Die beiden Neutronen-Spektrometer sind der experimentelle Dreh- und Angelpunkt der Institutsübergreifenden Forschungsinitiative „Material- und Festkörperforschung mit Neutronen“, welche die Max-Planck-Gesellschaft gleichzeitig mit der Einweihung präsentiert. Die Initiative wird von den Stuttgarter Max- Planck-Instituten für Metallforschung und Festkörperforschung koordiniert.
(idw – Technische Universität München/MPG, 24.11.2005 – DLO)