Gegen die chronische myeloische Leukämie, eine Form des Blutkrebses, gibt es zwar ein Mittel, doch in eingen Fällen machen Resistenzen es unwirksam. Ein junger Wissenschaftler hat jetzt alternative Therapieansätze untersucht und erfolgreich geetstet.
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Eigentlich ist nur ein einziges Enzym von Tausenden des Körpers krankhaft verändert – doch das genügt, um bestimmte Zellen krebsartig wuchern zu lassen. Folge: die „chronisch myeloische Leukämie“ (CML), eine bösartige Erkrankung des Blutes und des Knochenmarks. Seit einigen Jahren gibt es zwar erstmals ein Mittel, das das kranke Enzym gezielt ausschaltet und ein langfristiges Überleben ermöglicht. In wenigen Fällen kann es jedoch zu einer Resistenzentwicklung kommen, so dass neben einer Dosiserhöhung neue Therapieansätze benötigt werden.
Wenn ein Tumor entsteht und sich weiter entwickelt, teilen sich seine Zellen unablässig und ohne Kontrolle – bedingt durch genetische Veränderungen. Die von den betreffenden Genen codierten Eiweiße regulieren normalerweise das Wachstum und die Reifung von Zellen und deren „programmierten Zelltod“ über komplexe Signalketten. Dabei reiht sich eine biochemische Botschaft an die nächste.
Zu den wichtigen Akteuren in diesen Signalketten gehören die so genannten Tyrosinkinasen. Eines dieser Enzyme ist bei der CML dauerhaft hoch aktiv – mit drastischen Konsequenzen. Der Wirkstoff Imatinib hemmt diese außer Kontrolle geratene Kinase an einer bestimmten Stelle des Enzyms. „Allerdings können Leukämie-Zellen im fortgeschrittenen Krankheitsstadium Resistenzen entwickeln“, erklärt Tim Beißert von der Universität Frankfurt/Main. Folge: Die Krankheit schreitet weiter fort.
Mittel, die das Enzym anders blockieren und unschädlich machen, hat der Forscher in Laborversuchen jetzt erfolgreich erprobt. Im Gegensatz zu „gesunden“ Enzymen rotten sich die genetisch veränderten Kinasen zu Vierergruppen zusammen, indem sie sich an definierten Stellen berühren. Versuche anderer Wissenschaftler hatten zumindest bei Mäusen gezeigt, dass erst diese „Tetramere“ den Krebs auslösen. Dass bestimmte Peptide den gefährlichen Zusammenschluss der Kinasen verhindern können, hat Tim Beißert belegt. Diese Peptide will er jetzt zu marktfähigen Medikamenten machen. Ein Stipendium der Novartis Stiftung für therapeutische Forschung soll ihn dabei untestützen.
Eine wahrscheinlich gleichermaßen wirksame Alternative bieten spezielle „RNA-Moleküle“, die der Forscher in einem komplizierten und Jahre dauernden Prozess gefunden hat. Diese Moleküle sollen nun einerseits auf ihre Wirkung getestet werden. Andererseits plant Beißert, die dreidimensionale Struktur der RNA-Moleküle aufzuklären, damit sie als „Vorbild“ für die Synthese anderer Substanzen dienen können. Verlaufen die Arbeiten erfolgreich, kann in einigen Jahren ein neues Medikament gegen die CML erwachsen – und eine neue Hoffnung im Kampf gegen den Krebs.
(Novartis Stiftung für therapeutische Forschung, 16.11.2005 – NPO)