Europa wird wärmer – soviel ist inzwischen klar. Doch der Hauptanteil dieses Klimawandels geht auf einen unerwarteten Atmosphärenbestandteil zurück – den Wasserdampf. Eine neue Studie Schweizer Wissenschaftler hat gezeigt, dass eine vermehrte Wasserverdunstung die Erwärmung stärker vorantreibt als bisher angenommen.
Die Forscher um Rolf Philipona vom Weltstrahlenforschungszentrum in Davos untersuchten Messungen der Oberflächeneinstrahlung in den Alpen der Jahre 1995 bis 2002 und analysierten Temperatur und Feuchtigkeitsveränderungen in der Atmosphäre über Europa. Dabei zeigte sich, dass die Erdoberfläche zunehmend mehr Strahlung absorbiert und weniger reflektiert und sich dabei entsprechend erwärmt.
Die gemessenen Temperatur- und Feuchtewerte der letzten beiden Jahrzehnte übertrafen jedoch die von den gängigen Klimamodellen prognostizierten Werte um das bis zu Dreifache. Nach Ansicht der Forscher deutet dies darauf hin, dass die durch Treibhausgase erhöhten Oberflächentemperaturen die Wasserverdunstung verstärkt und diese wiederum durch ihre Treibhauswirkung den Erwärmungsprozess weiter beschleunigt haben.
Mehr als 70 Prozent der zurzeit beobachteten Erwärmung könnte auf diese Weise auf das Konto des Wasserdampfs gehen, so die Wissenschaftler in ihrer in den „Geophysical Research Letters“ veröffentlichten Studie. Die Beschleunigung des Klimawandels durch diesen Prozess wirkt sich besonders in Mittel- und Nordosteuropa mit seinem eher feuchten Klima und der dichten, viel Wasser verdunstenden Vegetation aus.
Wolken mit Doppelrolle
Bedeutung haben diese Erkenntnisse insbesondere für die Einschätzung der Rolle der Wolken für die Klimaerwärmung. Da Wolken einerseits die Sonneneinstrahlung verringern, können sie abkühlend wirken, andererseits aber verhindern sie die Abstrahlung von Wärme von der Erdoberfläche in den Weltraum und wirken damit auch erwärmend. Welche Wirkung wann und wo überwiegt, ist bisher noch weitestgehend ungeklärt.
Philipona und seine Kollegen stellten in ihrer Untersuchung eine Zunahme der Wolkendecke nördlich der Alpen und eine abnehmende Bewölkung südlich des Gebirges fest. Dennoch erwärmten sich beide Alpenflanken zwischen 1995 und 2002 deutlich. Nach Ansicht der Forscher deutet dies auf eine ausgeglichene Bilanz zwischen wolkenbedingter Abkühlung und Erwärmung hin – beide Einflüsse halten sich offenbar etwa die Waage.
(American Geophysical Union, 09.11.2005 – NPO)