Mäuse, denen ein bestimmter Blutgerinnungsfaktor fehlt, verlieren bei einer Verwundung nicht mehr Blut als „normale“ Artgenossen. Dies haben Forscher der Uni Würzburg im Rahmen einer neuen Studie herausgefunden. Sie stellen damit die bisher akzeptierten medizinischen Erkenntnisse zur Blutgerinnung in Frage.
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Im Kreislauf bleibt das Blut flüssig, weil gerinnungsfördernde und gerinnungshemmende Faktoren miteinander im Gleichgewicht stehen. Diese Vorstellung ist ein Grunddogma der Blutgerinnungslehre. Forscher gehen davon aus, dass eine zu starke Gerinnungsaktivität die Blutungsneigung vermindert und damit zu Thrombosen führen kann, also zur Verstopfung der Blutgefäße durch Gerinnsel. Blockiert man umgekehrt die Bildung dieser Blutpfropfen, dann verstärkt sich die Blutungsneigung.
Wissenschaftler vom Institut für Klinische Biochemie und Pathobiochemie der Uni Würzburg haben nun diese Auffassung durch eine neue ins Wanken gebracht. Mit seinen Kollegen hat Dr. Thomas Renné Folgendes herausgefunden: Bei Mäusen, denen der Blutgerinnungsfaktor XII, der so genannte Hageman-Faktor, fehlt, funktioniert die Bildung von Blutgerinnseln zwar nicht mehr richtig – aber dennoch bluten die Tiere nach einer Verletzung nicht stärker als ihre gesunden Artgenossen.
Neue Strategie gegen Schlaganfall und Herzinfarkt
Damit zeigten die Forscher erstmals, dass die Mechanismen, die im Blutkreislauf Gerinnsel verursachen, für die eigentliche Blutstillung – zum Beispiel nach einer Verletzung – nicht wichtig sind. Dadurch ergibt sich laut Professor Ulrich Walter, dem Leiter des Würzburger Instituts, ein neuer, viel versprechender Therapieansatz: „Wenn es gelingt, den Faktor XII durch Medikamente zu blockieren, kann dies eine wirksame Strategie gegen Schlaganfall und Herzinfarkt sein. Anders als bei der bisherigen Gerinnungshemmung mit Marcumar oder Heparin gäbe es dabei kein Blutungsrisiko.“
Für seine Forschungsergebnisse erhielt Renné Anfang Oktober auf der Jahrestagung der Deutschen Vereinten Gesellschaft für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin in Jena den mit 12.000 Euro dotierten Gábor-Szász-Preis. Die Auszeichnung geht an „hervorragende wissenschaftliche Arbeiten auf dem Gebiet der Klinischen Chemie und Pathobiochemie“.
Die preisgekrönten Forschungsergebnisse wurden im Juli 2005 im „Journal of Experimental Medicine“ veröffentlicht.
(idw – Universität Würzburg, 19.10.2005 – DLO)