Medizinische Wirkstoffe in den Körper zu bringen ist nicht schwer, sie aber gezielt in Zellen einzuschleusen kann problematisch sein. Werden Pharmaka nicht in ausreichendem Maße von Zellen aufgenommen, muss ein passendes „Taxi“ her. Ein französisch-italienisches Forscherteam hat nun Kohlenstoffnanoröhrchen als Transport-Vehikel für einen Wirkstoff gegen Pilzinfektionen benutzt. Die Wissenschaftler entwickelten darüber hinaus eine Strategie, um die Nanoröhrchen mit einem zweiten Mittel oder Marker zu bestücken.
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Kohlenstoffnanoröhrchen sind lange dünne Röhren im Nanomaßstab, die aus einer oder mehreren Schichten graphitartig angeordneter Kohlenstoffatome bestehen. „Wie winzige Nadeln können sie sich durch Zellmembranen bohren“, erklärt Alberto Bianco, „ohne die Zelle dabei zu beschädigen.“
Werden Proteine oder Nucleinsäuren angeknüpft, nehmen sie diese beim Durchtritt durch die Membran einfach mit. Bianco und ein Team aus Wissenschaftlern vom CNRS (Centre National de la Recherche Scientifique) in Straßburg und der Universität Triest wollten testen, ob sich dieses Konzept auch auf kleine Wirkstoffmoleküle wie Antibiotika oder Krebstherapeutika ausweiten lässt. Besonders attraktiv fanden sie die Idee, nicht nur einen, sondern zwei verschiedene „Passagiere“ anzuknüpfen. Auf diese Weise könnten z.B. Kombitherapien mit unterschiedlichen Wirkstoffen durchgeführt oder die Aufnahme des Wirkstoffs mit Hilfe eines Markers überwacht werden.
Zwei „Ankerplätze“ für Medikamente
Zwei verschiedene Moleküle gezielt, kontrolliert und völlig unabhängig voneinander an Kohlenstoffnanoröhren zu knüpfen, erfodert eine ausgeklügelte Strategie. Die Forscher erzeugten dazu an den Spitzen und an den Seitenwänden der Röhren zwei verschiedene Typen von „Ankerplätzen“, die mit einer Art „Schutzkappen“ versehen sind. Dann wird die erste Sorte Schutzkappen abgespalten und Molekültyp 1 angehängt, anschließend wird die zweite Sorte entfernt und Molekültyp 2 angekuppelt. So beluden die Forscher die Röhrchen mit dem Antimykotikum Amphotericin B sowie einem Fluoreszenzfarbstoff.
Durch die Kopplung an die Röhrchen verlor der Wirkstoff die sonst für Behandlungen mit Amphotericin B typischen toxischen Nebenwirkungen.
Gleichzeitig ist seine Wirksamkeit gegen Pilze erhöht. Ein Grund könnte die erhöhte Wasserlöslichkeit sein, zudem kann das Amphotericin B nun nicht mehr verklumpen. „Unser Ansatz könnte Amphotericin B zu einem breiteren Einsatz gegen chronische Pilzinfektionen verhelfen“, hofft Bianco.
Besonders attraktiv scheinen auch Kohlenstoffnanoröhrchen, die mit einem Wirkstoff sowie einem „Wegweiser“ als Passagiere versehen sind. Der Wegweiser soll dann gezielt bestimmte Zelltypen, beispielsweise Tumorzellen, erkennen und den Transporter dorthin lotsen, sodass diese Zellen den Wirkstoff bevorzugt aufnehmen.
(idw – Gesellschaft Deutscher Chemiker, 21.09.2005 – DLO)