GeoUnion

„Methan-Oasen“ am Meeresgrund

Vom Leben ohne Sauerstoff

Methangehalt der Atmosphäre © NASA/GISS

Ohne Sauerstoff, Licht und Wärme ist kein Leben denkbar – dies galt lange Zeit als Dogma der Wissenschaft. Doch dass der Meeresboden der Tiefsee nicht überall so kalt und leblos ist wie gedacht, zeigten Tauchfahrten bereits in den 1970er Jahren. Heute gelten vor allem die kohlenstoffreichen Methanquellen am Ozeangrund als Motor des Lebens. Ihre Bedeutung für die Organismen an den Kontinentalrändern und ihre mögliche Bedrohung als Treibhausgas soll nun durch das europäische Forschungsvorhaben HERMES gelüftet werden.

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Große Röhrenwürmer, die am liebsten im siedenden Wasser wohnen oder Mikroben, die ohne Sauerstoff überleben und Schwefelwasserstoff als Leibspeise haben– die Lebewesen am Meeresgrund haben sich einiges einfallen lassen, um auch ohne Sonnenenergie zu überleben. Auf der Spur dieser Lebenskünstler tauchen Wissenschaftler des Meeresforschungsprojekts HERMES nun an mehreren Stellen auf den europäischen Ozeanboden ab. Sie untersuchen Methanquellen auf dem Norwegenschelf, dem Golf von Cadiz und dem östlichen Mittelmeer, die dort scheinbar am Anfang der Tiefseenahrungskette stehen.

Überleben ohne Photosynthese

Denn an diesen „Biomasse“-Hotspots in einigen hundert Metern Tiefe wimmelt es nur so von Leben. Auch wenn neueste Forschungsergebnisse zeigen, dass sogar in solchen dunklen Regionen Photosynthese durch die Ausnutzung von Restlicht und Wärmestrahlung heißer Quellen bedingt möglich ist, erklärt dies dort noch lange nicht die überraschend hohe Lebensvielfalt. Vielmehr scheinen erst chemosynthetische Prozesse das Leben in der Tiefe zu ermöglichen.

Insbesondere die einzelligen Archaeen haben sich auf das Leben ohne Sauerstoff spezialisiert. Sie ernähren sich vor allem von methanhaltigen Gasen, die aus Sedimenten oder tiefer liegenden Lagerstätten an die Oberfläche quellen. Sie verwerten das Methan unter Zuhilfenahme von Sulfat und produzieren gleichzeitig als „Abfallprodukt“ Sulfilde. Diese wiederum ermöglichen das Überleben von fadenförmigen Bakterien bis hin zu Röhrenwürmern und Muscheln. Manche Forscher glauben inzwischen sogar, dass diese zum Teil symbiotischen Gemeinschaften möglicherweise am Beginn der Entwicklung von Leben auf unserem Planeten standen.

Schlammvulkan im Visier

Um diese und andere noch offene Fragen rund um Methanquellen zu klären, haben sich die Wissenschaftler von HERMES ein besonderes Ziel herausgesucht: den Schlammvulkan Haakon Mosby auf dem Nordnorwegenschelf. Schon seit einigen Jahren steht der in rund 1.250 Meter Tiefe liegende Vulkan im Fokus internationaler Forschungen. So konnten dort im Juli 2003 erstmals Bilder von aufsteigenden Methanblasen gemacht werden und mithilfe zahlreicher Sonarmessungen erarbeiteten Wissenschaftler des deutschen Alfred-Wegener-Instituts und des französischen Meeresforschungsinstituts IFREMER eine exakte Tiefenlinienkarte des Gebiets. Diese bathymetrische Karte dient nun als Grundlage für die Auswahl der Stellen, an denen mithilfe eines Roboter-Greifarms Bodenproben genommen werden können. Die Analyse soll unter anderem klären, wie die geologischen Bedingungen die Methanfreisetzung beeinflussen, ob der Austritt von Methan zeitlichen Schwankungen unterliegt und welchen Auswirkungen dies auf die Lebensgemeinschaften hat.

Denn möglicherweise haben diese Methanquellen nicht nur Einfluss auf das Leben in der Tiefe sondern auch an der Erdoberfläche. Tatsächlich erreicht ein Teil der am Haakon Mosby freigesetzten Methangase auch die Meeresoberfläche und gelangt somit in die Atmosphäre. Dieses Phänomen ist sowohl für die Meeres- als auch die Klimaforschung wichtig, da schon länger bekannt ist, dass Methan ein rund zwanzigmal stärkeres Treibhausgas als Kohlendioxid ist. Wie vermutlich vor rund 55 Millionen Jahren schon einmal geschehen, hätte eine vermehrte Freisetzung von Methan somit auch direkte Auswirkungen auf unser Klima. Damals erwärmten sich die globalen Temperaturen um mehrere Grad Celsius. Ein Grund mehr für HERMES, endlich Licht ins Dunkel der kaum erforschten Kontinentalhänge zu bringen.

(HERMES, 26.08.2005 – AHE)

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