Wissenschaftler von der Universität Chemnitz haben mithilfe der Nanotechnologie erstmals winzige Kristalle in Kunststoffen sichtbar gemacht. Wie die Forscher in der Zeitschrift Advanced Materials berichten, ist die Zusammensetzung des Materials auf der Nanoskala für die Wandlungsfähigkeit der Kunststoffe verantwortlich.
Jeder hat das Material schon in der Hand gehabt, denn es ist einer der meistverwendeten Kunststoffe überhaupt: Polypropylen begegnet uns in Form von Verpackungen, als Faser eines Sporthemds oder als Spielzeug im Kinderzimmer. Dieser Kunststoff ist so weit verbreitet, weil er günstig herzustellen ist und sich seine Eigenschaften ganz nach Wunsch den Bedürfnissen anpassen lassen.
Dem Geheimnis dieser Anpassungsfähigkeit ist jetzt ein von der VolkswagenStiftung eingerichtetes Forscherteam um Professor Robert Magerle und Nicolaus Rehse an der Technischen Universität Chemnitz auf die Spur gekommen. Dem Forscherteam ist es gelungen, die Struktur von Polypropylen im Nanometerbereich – ein Nanometer entspricht einem Milliardstel Meter – abzubilden. Möglich wurde dies durch die von Magerle entwickelte Methode der Nanotomographie.
Die Nanotomographie öffnet den Blick auf Strukturen bis zu einer Größe von zehn Nanometer – was etwa 10.000 Mal kleiner ist als der Durchmesser eines menschlichen Haares. Vergleichbar einer archäologischen Ausgrabung wird bei der Nanotomographie Schicht für Schicht einer Probe abgetragen und nach jedem Schritt ein Bild von der Oberfläche aufgenommen. Dabei wird mit der Rasterkraftmikroskopie nicht nur die Materialverteilung registriert, sondern auch die Form der Oberfläche vermessen.
So erhalten die Wissenschaftler die genaue Lage der verschiedenen Materialkomponenten in einer Schicht – und zwar selbst dann, wenn diese eine gewisse Rauhigkeit aufweist. Die Daten der einzelnen Schichten werden anschließend im Computer zu einem dreidimensionalen Bild zusammengesetzt. Für Polypropylen ergibt sich ein 3D-Bild, das die Form und Anordnung einzelner kristalliner Bereiche zeigt.
Neue Möglichkeiten für moderne Materialien
Die aus der Nanotomographie erhaltenen Strukturdaten eröffnen neue Möglichkeiten für die Herstellung moderner Materialien. Von den 3D-Bildern ausgehend lassen sich die Materialeigenschaften simulieren.
Das liefert etwa Hinweise darauf, wie sich das Produkt für die gewünschte Anwendung optimieren lassen könnte. Aktuelle Beispiele sind Klebestreifen aus Polypropylen mit gezielt einstellbarer Haftfähigkeit oder Polyethylenfasern mit extrem hoher Festigkeit. Große Bedeutung, so meinen die Forscher, habe das Verfahren auch für das Verständnis der Strukturbildung und der Mikromechanik von nanostrukturierten Materialien, wie zum Beispiel hochfeste Metalllegierungen für Gasturbinen, aber auch Knochen und andere Biomaterialien.
Die VolkswagenStiftung hat Magerle und sein Team im Rahmen der im Jahr 2002 in Bayreuth eingerichteten Nachwuchsgruppe „High Resolution Volume Imaging and Characterization of Polymeric Materials with Nanotomography“ mit rund 1,2 Millionen Euro gefördert.
(idw – VolkswagenStiftung, 11.08.2005 – DLO)