Bei Parkinsonkranken sterben allmählich Gehirnzellen in einem dunkel gefärbten und daher als „Substantia nigra“ bezeichneten Gehirnbereich ab. Jetzt haben Forscher erstmals den Farbstoff aus diesen Zellen isoliert und untersuchen seine Rolle bei der Entstehung und Entwicklung der Krankheit.
Die Parkinson-Krankheit ist eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen. Ihre Häufigkeit nimmt mit dem Alter zu. So leiden von den 55-jährigen bereits 1,4 Prozent, von den 75-jährigen 3,4 Prozent (Stand 1997) an Symptomen. Bis heute sind jedoch die zellulären und molekularen Mechanismen, die die Krankheit auslösen, noch nicht vollständig bekannt.
Nun ist die Substanz Neuromelanin in den Blickpunkt der Forscher gerückt. Das Pigment beeinflusst das für die Bewegungssteuerung wichtige Dopaminsystem, das bei Parkinsonkranken gestört ist. Forschern der Ruhr-Universität Bochum (RUB) um Juniorprofessorin Dr. Katrin Marcus ist es nun erstmals gelungen, Neuromelanin-Granula (Granula: „Körnchen“) aus menschlicher Hirnmasse zu isolieren und ihre Proteine zu analysieren. Über ihre Funde berichten sie in „Molecular and Cellular Proteomics“.
Farbstoff des Gehirns
Melanin – Pigmente, die beim Menschen im Haar, der Haut, dem Innenohr und der Iris vorkommen – kommt als Neuromelanin auch im Gehirn vor. Man findet es unter anderem in Nervenzellen einer schwarz- pigmentierten Region des Mittelhirns, der Substantia nigra. Die Nervenzellen reagieren auf den Botenstoff Dopamin. Das Dopaminsystem spielt eine wichtige Rolle bei der Bewegungsabstimmung.
Genau hier treten auch die entscheidenden Defekte bei der Parkinson-Krankheit auf. Die Dopaminnervenzellen in der Substantia nigra sterben mit fortschreitender Erkrankung allmählich ab und verschwinden schließlich ganz, was die typischen Parkinson-Symptome, wie Ruhetremor, sich wiederholende Handbewegungen, „Pillendreherbewegungen“ der Finger und zunehmende Schwierigkeiten beim Stehen und Ingangbringen von allgemeinen Körperbewegungen hervorruft.
„Eine Beziehung zwischen dem Absterben der dopaminergen Nervenzellen und ihrem Neuromelaningehalt wurde bereits beschrieben und so eine wichtige Rolle des Neuromelanins bei den neurodegenerativen Prozessen der Parkinson-Krankheit postuliert“, erklärt Dr. Marcus. Einige Fragen zum Neuromelanin sind bis heute allerdings noch ungeklärt: Warum produzieren nur einige dopaminerge Neuvernzellen Neuromelanin in ihrem Cytoplasma? Welche Struktur besitzt Neuromelanin und wie wird es gebildet? Was ist die genaue Funktion des Neuromelanins in der Zelle?
Neuromelanin erstmals isoliert und untersucht
Diesen Fragen widmeten sich jetzt Mitarbeiter des Medizinischen Proteom-Centers der Ruhr-Universität Bochum und Wissenschaftler der Universität Würzburg. Durch Kombination aus subzellulärer Fraktionierung und der modernen Proteomanalyse – als Proteom wird die Gesamtheit aller Proteine, die zu einem bestimmten Zeitpunkt eines definierten Zustands in einem Organismus oder Gewebe gebildet werden – konnten erstmals intakte Neuromelanin-Granula aus menschlicher Substantia nigra isoliert und ihre Proteinzusammensetzung bestimmt werden.
Verwandtschaften mit bekannten Zellbestandteilen
„Elektronenmikroskopische Aufnahmen zeigen, dass die morphologischen Charakteristika der isolierten Neuromelanin-Granula den im humanen Hirn beschriebenen sehr ähnlich sind“, so Marcus. Mit Hilfe der so genannten eindimensionalen SDS-Gelelektrophorese und Massenspektrometrie konnten die Forscher viele verschiedene Membranproteine des Pigments identifizieren.
Sie deuten auf eine enge Verwandtschaft der Neuromelanin-Granula mit den bereits besser erforschten Lysosomen oder Lysosomen-verwandten Organellen und dem gut bekannten endoplasmatischen Retikulum hin – beides funktionelle Einheiten im Inneren der Zellen. „Das Neuromelanin ist möglicherweise keine so große Unbekannte“, folgert Katrin Marcus. Zusätzlich scheint auch das endoplasmatische Retikulum direkt an der Bildung der Neuromelanin-Granula beteiligt zu sein.
Ansatz zur Erforschung auch der Alzheimer-Krankheit
Innerhalb dieser Studie liefert die Proteomanalyse einige wichtige Einblicke in die Entstehung und Biologie der Neuromelanin-Granula und damit in einen der krankheitsbedingenden Mechanismen der Parkinson-Krankheit. Im Rahmen verschiedener nationaler und internationaler Kooperationen suchen Marcus, Prof. Meyer und ihre Kollegen derzeit nach spezifischen Biomarkern für die Parkinson- und Alzheimer-Krankheit.
„Die systematische Auftrennung, Identifizierung und Charakterisierung von Proteinen im Nervensystem und in humanen Körperflüssigkeiten mittels moderner Proteomanalyse bieten dazu einen viel versprechenden Ausgangspunkt“, schätzt Marcus. Die Forschungsarbeiten wurden durch die Österreichische Akademie der Wissenschaften, durch das BrainNet Europe, die Deutsche Parkinson Vereinigung und das BMBF (Human Brain Proteom-Projekt) gefördert.
(RUB, 25.07.2005 – NPO)