Wenn es darum geht vorherzusagen, welche Auswirkungen die Treibhausgase auf unser Klima haben, blicken die Klimaforscher typischerweise zunächst in den Himmel – sie analysieren die Konzentrationen der Gase in der Atmosphäre. Doch genau diese Vorgehensweise sagt nach Ansicht amerikanischer Klimatologen kaum etwas aus über die Menge der Emissionen, aus denen diese Gase stammen – und erlaubt damit auch keine emissionsbezogenen Klimaprognosen oder Klimaschutzempfehlungen. Das Treibhausgas Methan könnte demnach beispielsweise eine gut doppelt so starke Treibhauswirkung entfalten als bisher angenommen.
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Drew Shindell, Klimatologe am NASA Goddard Institute for Space Studies in New York vertritt die Meinung, Wissenschaftler müssten die Treibhausgase direkt an ihren Emissionsquellen ansehen, nicht erst in der Atmosphäre. „Die Gasmoleküle machen chemische Veränderungen durch und wenn wir sie erst untersuchen, nachdem dies geschehen ist und sie sich mit anderen Gasen vermischt haben, erhalten wir kein akkurates Bild ihrer Auswirkungen“, erklärt der Forscher. „Die Menge des Methans in der Atmosphäre beispielsweise wird einerseits durch Schadstoffe beeinflusst, die seine Chemie ändern, andererseits spiegeln die Werte nicht die Effekte des Methans auf andere Treibhausgase wieder. Damit ist es nicht direkt auf die Emissionen übertragbar – und sie sind es, für die wir Maßnahmen festsetzen.“
In einer in der Zeitschrift Geophysical Research Letters veröffentlichten Studie isolierten Shindell und seine Kollegen zunächst einzelnen Treibhausgase, ermittelten deren Freisetzung und kalkulierte dann für jedes von ihnen einzeln die möglichen Auswirkungen auf das Klima. Dabei zeigte sich, dass es bemerkenswerte Unterschiede darin gab, wie stark die Gase zum Klimawandel beitrugen.
Doppelte Wirkung von Methan
Nach den neuen Berechnungen könnten insbesondere die Auswirkungen des Methans auf die globale Erwärmung doppelt so stark sein wie bisher kalkuliert. Die Daten ergaben, dass Methanemissionen für ein Drittel des Treibhauseffekts der wichtigsten Treibhausgase zwischen 1750 und heute verantwortlich sein könnten. Der IPCC Bericht, der die Methaneinflüsse nur aufgrund der Werte des bereits in der Atmosphäre gemischten Gases ermittelte, kam auf einen Anteil von nur einem Sechstel.
Einen Teil der Erklärung für diese deutlichen Unterschiede liefert die Miteinbeziehung der Methanemissionen auf das troposphärische Ozon in der neuen Berechnung. Das Ozon wird nicht direkt vom Menschen freigesetzt, sondern entsteht aus Vorläufersubstanzen wie Methan, anderen Kohlenwasserstoffen, Kohlenmonoxid und Stickoxiden. Im IPCC Report werden die Einflüsse des troposphärischen Ozons auf das Klima zwar mit einberechnet, nicht aber, wie sich die Erhöhung einzelner Vorläufersubstanzen auswirkt.
Shindell und seine Kollegen schlüsselten dies nun genauer auf und stellten fest, dass der Einfluss der Methanemissionen auf das Ozon weitaus größer sind als angenommen. Andere Gase dagegen wirkten sich nur gering auf die Zunahme des Ozons aus. Damit jedoch ändert sich auch die Sicht auf die Methanemissionen und ihre mögliche Begrenzung zum Klimaschutz: Denn wenn Methan sowohl indirekt über das Ozon als auch direkt eine stärker anheizende Wirkung entfaltet, müsse auch seine Freisetzung weitaus stärker eingedämmt werden als bisher.
Hebel für den Klimaschutz
Seit 1750 hat sich der Methangehalt in der Atmosphäre mehr als verdoppelt, obwohl die Anstiegsrate während der 1980er und 1990er Jahre wieder leicht absank – aus bisher ungeklärten Ursachen. Die Beschränkung der Methanemissionen könnte nach Ansicht der Forscher ebenso wie die des häufigeren, aber schwächeren Treibhausgases Kohlendioxid, entscheidend für die künftige Klimaentwicklung sein. „Wenn wir Methan kontrollieren, wie die USA es bereits begonnen hat, dann könnten wir die globale Erwärmung stärker entschärfen als wir gehofft hatten“, erklärt Shindell. „Die Methanemissionen entpuppen sich damit als weitaus potenterer Hebel zum Klimaschutz als angenommen.“
(NASA/GISS, 20.07.2005 – NPO)