Wird die Luftqualität besser, könnte dies die globale Erwärmung nicht etwa stoppen, sondern sogar noch weiter vorantreiben. Was geradezu paradox klingt, haben jetzt deutsche und englische Atmosphärenforscher herausgefunden und in der Zeitschrift Nature veröffentlicht. Ihre Ergebnisse belegen, dass eine Reduktion des Aerosolausstoßes die durch die Schwebeteilchen verursachte Kühlwirkung in der Atmosphäre herabsetzt.
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Die Wissenschaftler Professor Meinrat O. Andreae vom Max Planck Institut für Chemie in Mainz, Chris Jones vom britischen Hadley Centre for Climate Prediction and Research und Professor Peter Cox vom Centre for Ecology and Hydrology untersuchten die Auswirkungen des Kühlungseffekts der Aerosole, die durch menschlichen Einfluss entstehen und an die Atmosphäre abgegeben werden, auf das Klima der Gegenwart und der Zukunft. Außerdem analysierten sie die damit verbundenen Veränderungen in der Aufnahme von atmosphärischem Kohlendioxid durch die landlebende Organismen.
Aerosole als Klimapuffer
Aerosole tragen einerseits dazu bei, das Klima der Erde zu stabilisieren, da sie einen Teil der auf die Erde treffenden Sonneneinstrahlung reflektieren. Sie gleichen so die erwärmende Wirkung von Treibhausgasen wie CO2 teilweise aus. Doch leider haben die Aerosole auch beträchtliche gesundheits- und umweltschädliche Auswirkungen – ein Grund, warum heute immer strengere Luftreinhaltungsgebote ihren Ausstoß regulieren.
Doch genau da beginnt die Zwickmühle: Denn die notwendige Reduktion des Aerosolausstoßes führt zwangsläufig auch zu einer Abnahme ihres Kühlungseffekts und könnte daher die globale Erwärmung noch beschleunigen. Kones vergleicht dies mit dem Autofahren mit gleichzeitig getretener Bremse und Gaspedal: „Jetzt nehmen wir unseren Fuß von der Bremse, wissen aber nicht, wie schnell wir werden. Weil wir nicht genau wissen, wie stark die Kühlwirkung der Aerosole war, können wir auch nicht vorhersagen, wie stark die resultierende Erwärmung sein wird.“
Jede weitere Erwärmung wiederum wird, so die Wissenschaftler, durch die Interaktionen zwischen Klima und der Biosphäre der Erde, insbesondere dem Kohlenstoffkreislauf, weiter verstärkt. Meer und Landökosysteme absorbieren zur Zeit rund die Hälfte unserer CO2-Emissionen, aber durch den Klimawandel wird diese natürliche Pufferwirkung verringert. „Höhere Temperaturen bedeuten schnellere Zersetzung toten Materials“, erklärt Cox. „Wenn die Erwärmung wegen der sinkenden Aerosolkühlung größer ist als angenommen, wird dadurch weniger CO2 vom Land aufgenommen und mehr an die Atmosphäre abgegeben, wo es zum Treibhauseffekt beitragen kann.“
Klimaschutzmaßnahmen dringender denn je
Die Wissenschaftler räumen zwar ein, dass es noch Unsicherheitsfaktoren in ihren Prognosen und Modellen gibt, bleiben aber dabei, dass dies in Bezug auf die Reduktion der CO2-Emissionen eher ein Grund zum Handeln denn zum Abwarten sei. Denn die Aerosol-Unsicherheiten ließen die unteren Schätzwerte unverändert, sie beeinflussen nur die Obergrenze der Prognosen zum Temperaturanstieg.
Andreae dazu: „Die Implikationen für die Politik selbst eines Anstiegs nur um 5 bis 6 Grad, entsprechend der Erwärmung von der letzten Eiszeit an bis heute, sind enorm. Angesichts der sehr schwerwiegenden Konsequenzen für die Umwelt und die menschliche Gesellschaft ist der einzig umsichtige Weg die sofortige Reduktion der Emissionen von klimaschädlichen Substanzen mit Reduktionszielen deutlich unter denen des Kyoto-Protokolls.“
(Natural Environment Research Council (NERC), 30.06.2005 – NPO)