Geowissen

Hochwasserschutzgebiet oder Wasserstraße?

Politiker und Experten diskutieren Schutz und Nutzung von Elbe und Co.

Wie lassen sich Hochwasserschutz und Naturschutz einerseits und die ökonomische Bedeutung der Flüsse als Verkehrwege andererseits miteinander vereinbaren? Diese Frage steht im Mittelpunkt einer zweitägigen Fachkonferenz in Berlin. Unter Beteiligung von sechs Bundesministerien diskutieren Experten aus dem In- und Ausland einen integrativen Ansatz für die Vielzahl der unterschiedlichen Nutzungen. Außerdem ziehen sie eine Bilanz der nach dem Jahrhunderthochwasser 2002 umgesetzten und begonnenen Maßnahmen.

Mehr Raum?

„Hochwasserschutz kann nicht nur reine Gefahrenabwehr sein. Die Politik der Bundesregierung zielt auf Vorsorge und Schadensbegrenzung. Wichtig ist deshalb vor allem, den Flüssen mehr Raum zu geben“, das betonte Margareta Wolf, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium. Vorsorgender Hochwasserschutz brauche eine größere Dynamik. Wolf rief die Länder dazu auf, das kürzlich in Kraft getretene Gesetz zum vorbeugenden Hochwasserschutz umzusetzen und die Schadenspotenziale an den Flüssen zu minimieren.

Die Staatssekretärin weiter: „Das 5-Punkte-Programm der Bundesregierung fordert, den Flussausbau zu überprüfen und die Schifffahrt auf unseren Flüssen umweltfreundlich zu entwickeln. Denn die Schifffahrt kann eine umweltfreundliche Art des Transports darstellen, andererseits sind Ausbau und Unterhaltung von Flüssen als Schifffahrtswege mit erheblichen Eingriffen in das Ökosystem Fluss verbunden.“

oder mehr Wasserstraßen?

Demgegenüber stellte Bundesverkehrsminister Dr. Manfred Stolpe die Ökonomie in den Vordergrund: „Flüsse sind wichtige Verkehrswege, auf denen Güter schnell und zuverlässig über weite Strecken transportiert werden“, so Stolpe. „Flussgebiete sind Kulturlandschaften, Wirtschaftsräume, Siedlungsgebiete und Ökosysteme.“ Flüsse spielten eine wichtige Rolle für Wachstum und Beschäftigung, die aber oft ebenso unterschätzt werde. Gleiches gilt für die Bedeutung von Infrastruktur, Verkehr und Mobilität für den Standort Deutschland. „Dabei sind Verkehr und Mobilität die Motoren, die wirtschaftliches Wachstum erst ermöglichen“, hob Stolpe hervor.

Anders als Straßen oder Schienenwege seien Flüsse aber auch Bestandteil von Natur und Landschaft und von hoher ökologischer Bedeutung. Sie bieten Tieren und Pflanzen Lebensraum und dienen uns Menschen zur Erholung. Daher betrachte die Bundesregierung Ökonomie und Ökologie nicht als Gegensätze, erklärte der Minister.

Als Beispiele nannte Stolpe das im Mai 2005 verabschiedete Gesetz zur Verbesserung des vorbeugenden Hochwasserschutzes, die von der Bundesregierung entwickelten Grundsätze zur Unterhaltung der Elbe sowie die Tatsache, dass alle Ausbauvorhaben und Unterhaltungsmaßnahmen auf ihre Hochwasserneutralität hin überprüft würden.

oder weniger Ausnahmen?

Die Umweltorganisation WWF dagegen forderte anlässlich der Flussgebietskonferenz eine ehrliche Bilanz der Hochwasserschutzpolitik. „Die Steuerzahler haben ein Recht darauf zu erfahren, was mit den Milliarden passiert ist, die der Bund nach der Elbeflut 2002 in den Wiederaufbau und für den Hochwasserschutz investiert hat“, so WWF-Süßwasserexperte Georg Rast. „Können die Bürger an Deutschlands großen Flüssen heute ruhiger schlafen? Oder blieb die Milliardenflut ohne Wirkung?“

Das im April 2005 in Kraft getretene Hochwasserschutz-Gesetz reicht nach Ansicht des WWF nicht an die klaren Forderungen des 5-Punkte-Programms heran. Die Umweltorganisation kritisierte die großzügigen Ausnahmen bei der Bebauung gefährdeter Gebiete und die unvollständige Ausweisung von Überflutungsflächen. Außerdem habe die Bundesregierung versäumt, den Ackerbau aus den Auen zu verbannen. „Von einem ökologischen Hochwasserschutz sind wir weit entfernt“, so Rast. Die Politik verabschiede sich, so der WWF, wieder Schritt für Schritt von dem Ziel einer umweltfreundlichen Schifffahrt.

(BMV, BMU,WWF, 24.06.2005 – NPO)

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