Mittelgroße Viren, Nanoröhrchen und andere Biopartikel haben mehr Chancen in das Innere von Zellen zu gelangen als extrem kleine oder große. Das ist das Ergebnis einer Studie, in der Wissenschaftler die optimale Größe für „Zelleindringlinge“ ermittelten. Bedeutung hat dies unter anderem für die Entwicklung von neuen, maßgeschneiderten Arzneimitteln.
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Das Geheimnis ist die Mittelmäßigkeit – zumindest wenn es darum geht, über einen Rezeptor oder einen Transportkanal in eine lebende Zelle einzudringen. L.B. Freund, Professor an der amerikanischen Brown Universität und seine Kollegen vom Max-Planck-Institut für Metallforschung haben ein Modell entwickelt, das erklärt, wie und warum Viren und andere Biopartikel in Zellen gelangen können.
Normalerweise funktioniert der Transport in einer Zelle hinein mithilfe spezieller Rezeptoren: Die Proteinhäkchen haften sich an bestimmte Oberflächenstrukturen des Partikels an und nach und nach stülpt sich die Zellmembran aus und umhüllt das Teilchen komplett. Die Umhüllung öffnet sich dann nach innen und das Virus oder ein anderer Fremdkörper es geschafft – es ist im Inneren der Zelle angelangt. Unter anderem Herpes- und Grippeviren nutzen diesen Transportweg für die Infektion.
Einlass auch ohne Clathrin
Bei diesem Endozytose genannten Prozess spielt ein Protein namens Clathrin eine besondere Rolle. Es umhüllt den Eindringling und fördert das Anhaften der Rezeptoren. Doch Untersuchungen haben gezeigt, dass beispielsweise Grippeviren ohne dieses Clathrin auskommen. Wie sie dennoch in die Zelle kommen, haben jetzt die Forscher mithilfe ihres mathematischen Modells demonstriert.
Das Modell zeigt, dass eine Größe zwischen 27 und 30 Nanometern – rund tausendmal dünner als ein menschliches Haar – optimal für den Eintritt in eine Zelle ist.
„Die Zelle optimiert eben einfach ihr System“, erklärt Freund. „Wenn ein Partikel zu groß ist, reichen die Rezeptoren nicht aus um das Virus zu binden. Ist es zu klein, braucht es zu viele Energie um die Zellmembran so zu verbiegen, dass es den Eindringling ganz umhüllt.“ Als die Forscher ihre theoretischen Berechnungen mit experimentellen Ergebnissen verglichen, zeigte sich eine breite Übereinstimmung. „Die Theorie ist grundsätzlich fundiert – ein wichtiges Ergebnis“, erklärt Freund.
Nutzen für Medizin und Risikoabschätzung von Nanopartikeln
Bedeutung hat das Ergebnis vor allem für die Entwicklung von Gen- und Wirkstofffähren in der Medizin. „Wenn man weiß, wie die Viren in die Zelle gelangen, kann man gezielt Wirkstoffe entwickeln, um sie draußen zu halten“, so der Forscher. „Oder wenn man Moleküle einschleusen will, wie beispielsweise Arzneimittel, dann hilft es, die optimale Größe zu kennen.“
Doch auch auf die möglichen Gesundheitsrisiken durch Nanopartikel werfen die Erkenntnisse ein neues Licht. Die winzigen Partikel werden heute zunehmend in Alltagsgegenstände von Kameras bis Kleidung integriert und spielen auch in der Industrie eine immer größere Rolle. Entsprechend wachsen auch die Befürchtungen, die Miniteilchen könnten in den Körper und die Zellen eindringen und hier Schaden anrichten. Freund kommentiert: „Bei Nanopartikeln könnten wir jetzt gezielt Teilchen einer bestimmten Größe produzieren um das Risiko zu minimieren, dass sie in Zellen eindringen und sie beschädigen könnten.“
(Brown University, 23.06.2005 – NPO)