Genetik

Junk-DNA beeinflusst Sozialverhalten

Länge der scheinbar funktionslosen Genabschnitte

Warum sind manche Menschen schüchtern und andere extrovertiert? Die Antwort darauf könnte, zumindest zum Teil, in unseren Genen liegen. Eine neue, jetzt in Science veröffentlichte Studie enthüllt einen Zusammenhang zwischen dem Verhalten und der Länge von scheinbar funktionslosen DNA-Abschnitten, der so genannten „Junk-DNA“. Die Ergebnisse könnten zum besseren Verständnis des menschlichen Sozialverhaltens, aber auch von Krankheiten wie dem Autismus beitragen.

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Elizabeth A.D. Hammock, Forscherin am Yerkes Primatenforschungszentrums an der Emory Universität und ihr Kollege der Verhaltensforscher Larry J. Young haben die Junk-DNA von männlichen Präriewühlmäusen untersucht. Ein Teil dieser DNA ist mit einem wichtigen Hormonrezeptor-Gen assoziiert, dem Vasopressin-Rezeptor-Gen. Vorherige Studien hatten bereits gezeigt, dass dieses Hormon und damit auch das Gen in vielen Tierarten soziales Verhalten beeinflusst.

Junk-DNA beeinflusst Genexpression

Die Wissenschaftler züchteten zwei Gruppen von Wühlmäusen: eine mit langen und eine mit kurzen Junk-DNA-Abschnitten. Als sie das Verhalten der männlichen Tiere nach ihrer Geschlechtsreife verglichen, entdeckten sie, dass die Länge dieser auch als Mikrosatelliten bezeichneten und eigentlich als funktionslos eingestuften DNA die Muster der Genexpression im Gehirn beeinflusste.

Bei Wühlmaus-Männchen mit langen Mikrosatelliten fanden die Forscher mehr Vasopressin-Rezeptoren in den Gehirnregionen, die für das Sozialverhalten und die Brutpflege zuständig sind. Diese Tiere verbrachten mehr Zeit damit, die Gerüche von Artgenossen zu untersuchen und näherten sich Fremden schneller als Männchen mit kürzeren Mikrosatelliten. Auch in der Partnersuche und –bindung waren diese Männchen deutlich aktiver und investierten mehr Zeit in die Aufzucht ihrer Jungen.

“Das ist die erste Studie, die einen Zusammenhang zwischen der Länge der Junk-DNA, den Genexpressions-Mustern im Gehirn und dem Sozialverhalten bei mehreren Tierarten nachweist”, erklärt Young. „Weil auch ein signifikanter Teil des menschlichen Genoms aus Junk-DNA besteht und diese Mikrosatelliten sich über die Zeit ausdehnen oder abnehmen, könnte dies einen bisher unbekannten Faktor in der sozialen Vielfalt darstellen.“

Größere Ähnlichkeit von Bonobo und Mensch

Hammock und Youngs Ergebnisse haben Auswirkungen über die Wühlmäuse hinaus, sie lassen auch Rückschlüsse über Affen und Menschen zu. Denn Schimpansen und Bonobos, die nächsten Verwandten des Menschen besitzen zwar beide das Vaospressin-Rezeptor-Gen, aber nur der Bonobo hat, wie der Mensch auch die entsprechende Mikrosatelliten-DNA. Nach Ansicht von Primatenforscher Frans de Waal könnte dies die sozialen Bonobos stärker in unsere Nähe rücken: “Dass diese spezielle Mikrosatelliten-DNA beim Schimpansen fehlt könnte bedeuten, dass der letzte gemeinsame Vorfahre von Menschen und Affen sozial eher dem Bonobo ähnelte als dem relativ aggressiven und Dominanz-orientierten Schimpansen.“

Als nächsten Schritt wollen die Forscher die Variabilität einer Junk-DNA-Sequenz im menschlichen Vasopressin-Rezeptor-Gen näher analysieren, die ebenfalls in unterschiedlicher Länge vorkommt. „Die Variabilität dieses Mikrosatelliten könnte für einen Teil der Vielfalt in den sozialen Persönlichkeitsmustern des Menschen verantwortlich sein“, erklärt Hammock. „Es könnte zum Beispiel erklären, warum einige Menschen von Natur aus gesellig, andere dagegen schüchtern sind.“ Auch einen möglichen Zusammenhang zum Autismus wollen die Wissenschaftler erforschen.

(Emory University Health Sciences Center, 10.06.2005 – NPO)

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