Medizin

Pocken: Als Biowaffe gefährlicher denn je?

Simulation zeigt unzureichende Schutzmaßnahmen bei Freisetzung

Das Jahr 2005 markiert den 25. Jahrestag der weltweiten Ausrottung der Pocken und gilt als einer der größten Erfolge der Bekämpfung von Infektionskrankheiten. Doch die Gefahr ist nicht gebannt: Experten befürchten eine Freisetzung von Pocken aus Laboren als Biowaffe. Neue Tests zeigen, dass kein Land der Welt für einen solchen Fall ausreichend vorbereitet waäre.

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Die Pocken sind seit über 3.000 Jahren bekannt und waren einst eine der verheerendsten Krankheiten der Menschheit. Allein im 20. Jahrhundert starben 300 Millionen Menschen an Pocken, was einer Sterblichkeitsrate von jedem dritten Infizierten entsprach. Viele Überlebende wurden für immer durch Narben entstellt, blind oder versehrt.

Im Mai 1980 erklärte die Weltgesundheitsversammlung, dass die Welt von natürlich auftretenden Pocken befreit wurde und der Kampf gegen Pocken siegreich war. Die Ausrottung dieser Krankheit wurde durch internationale Impfungsprogramme, globale Krankheitsüberwachung und Logistiksysteme des öffentlichen Gesundheitswesens ermöglicht. Diese Aktion gilt bis heute als einer der größten Erfolge des öffentlichen Gesundheitswesens in der Weltgeschichte und die einzige Krankheit, die bisher von der Menschheit eliminiert werden konnte.

Umgang mit Gefahr getestet

Seit dieser Erklärung ist kein einziger Fall von Pockeninfektion mehr gemeldet worden. Nach der Ausrottung wurde die Verwahrung des Pockenvirus auf zwei Referenzlabore der Weltgesundheitsorganisation (WHO) beschränkt – eines in den USA und eines in Russland. Es gibt jedoch Befürchtungen, dass Ressourcen und Expertise auf dem Gebiet der Biowaffen in die Hände von terroristischen Gruppen gefallen sein könnten. Als Folge führen viele Regierungen auf der Welt eine Neubewertung ihrer Fähigkeiten im Umgang mit der Gefahr eines erneuten Ausbruchs von Pocken durch.

Dr Jill Dekker-Bellamy, Berater für Biodefense der New Defence Agenda in Brüssel, berichtet: „Das Fehlen geeigneter Gegenmaßnahmen im Kampf gegen die Bedrohung durch Bioterrorismus stellt ein unakzeptables Risiko für die globale Gemeinschaft dar. Die Wahrscheinlichkeit eines solchen Anschlags ist zwar gering, die Konsequenzen wären jedoch umso grösser. Regierungen müssen daher Impfstoffe bevorraten und mit der Implementierung von Richtlinien beginnen, um im Falle eines bioterroristischen Anschlags durch Pockenviren für eine Impfkampagne gerüstet zu sein.“

Simulation zeigt Pandemiegefahr

Der Einsatz des Pockenvirus als biologische Waffe würde eine ernsthafte Bedrohung für die Welt darstellen. Die hohe Sterblichkeitsrate und unsere zunehmend mobilere Welt bedeuten, dass sich eine Pockenepidemie heute viel weiter und schneller ausbreiten könnte, besonders da seit Ausrottung der Krankheit keine Impfprogramme mehr durchgeführt wurden.

Die vollen potenziellen Auswirkungen einer Freisetzung von Pockenviren wurden während eines simulierten Ausbruchs der Krankheit im Januar dieses Jahres in Washington DC auf drastische Weise offensichtlich. Während der Tischsimulation ‚Atlantic Storm‘, die von der ehemaligen US-Aussenministerin Madeleine Albright geleitet wurde, mühten sich ehemalige Politiker und hochrangige Diplomaten, die ‚Situation‘ einzudämmen, während sich der Pockenausbruch rasch um den Globus ausbreitete. Es wurde gewarnt, dass es in den folgenden Wochen zu 660.000 potenziellen Opfern, weitreichenden politischen Umbrüchen und einem Zusammenbruch der Weltwirtschaft kommen könnte.

Die Simulationsübung ergab, dass über 30 Länder einige Vorräte des

Pockenimpfstoffs als Teil ihrer Bereitschaftspläne besitzen. Der US National Intelligence Council kam jedoch zu dem Schluss, dass kein

einziges Land ausreichend vorbereitet war.

(Smallpox Biosecurity, 09.05.2005 – NPO)

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