Geowissen

“Killer-Dinos” wurden Vegetarier

Missing-link zwischen Raubsauriern und Pflanzenfressern entdeckt

Skelett des Dinosauriers Falcarius © University of Utah

Wissenschaftler haben im amerikanischen Bundesstaat Utah einen „Dino-Friedhof“ entdeckt, in dem zahlreiche Exemplare einer gefiederten, bisher unbekannten Dinosaurierart erhalten geblieben sind. Die Funde liefern neue Erkenntnisse darüber, wie sich die mit dem Velociraptor verwandten Tiere im Laufe der Evolution von gefürchteten Fleischfressern zu pflanzenfressenden Dinosauriern entwickelt haben.

Über die Entdeckung der neuen Art, Falcarius utahensis, berichten Paläontologen des Utah Geological Survey und des Utah Museum of Natural History der Universität von Utah in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Nature. Die Relikte der neuen Art wurden am Fuß der Cedar Mountain Felsformation in Utah entdeckt. Die Wissenschaftler vermuten, dass Hunderte bis Tausende von Einzeltieren an dieser Stelle gestorben sein könnten. Als Ursache für dieses Massensterben werden mehrere Faktoren diskutiert, darunter Dürre, Vulkanausbrüche, Feuer oder eine Vergiftung mit Botulismus Toxin durch verseuchtes Wasser. Doch nach Ansicht des Paläontologen James Kirkland von der Universität von Utah, könnte auch giftiges Gas die Tiere umgebracht haben. Denn in der Nähe der Fundstelle befindet sich noch heute ein Geysir, der heißes Wasser und Kohlendioxid speit.

Velociraptor-Verwandter mit Federn

Die neue Art Falcarius, die vor rund 125 Millionen Jahren lebte, gehört – ebenso wie der vor einigen Jahren in China entdeckte Beipiaosaurus – zur Gruppe der so genannten Therizinosaurier. Diese wiederum sind Teil der Maniraptoren, einer Sauriergruppe, zu der klauenbewehrte Fleischfresser wie der aus dem Film „Jurassic Park“ bekannte Velociraptor gehören und aus der sich später die Vögel entwickelten. Auch die erwachsenen Tiere der neuen Art liefen auf zwei Beinen und waren mit scharfen, rund zehn Zentimeter langen Klauen bewaffnet. Sie waren rund vier Meter lang und 1,4 Meter hoch.

“Falcarius ist der primitivste bisher bekante Therizinosaurier, er demonstriert eindeutig, dass diese große Form der pflanzenfressenden Dinosaurier sich aus Velociraptor-ähnlichen Dinosauriern entwickelt hat“, erklärt Lindsay Zanno, Ko-Autorin der Studie. Zwar hat sich Falcarius nicht direkt aus Velociraptor entwickelt, aber beide müssen einen gemeinsamen, bisher noch nicht entdeckten Vorfahren gehabt haben, so jedenfalls die Meinung von Scott Sampson, Chefkurator am Museum für Naturgeschichte der Universität Utah.

Vom Räuber zum Pflanzenfresser

„Wir wissen, dass der erste Dinosaurier ein kleiner, leicht gebauter, schnellfüßiger Prädator war“, erklärt Sampson. „Früh haben sich zwei große Gruppen dem Pflanzenfressen zugewandt, aber wir haben praktisch keinerlei Belege für diesen Übergang. Mit Falcarius haben wir tatsächlich Fossilienbelege für einen größeren Wechsel in der Ernährung, mit Sicherheit aber das bestdokumentierte Beispiel dafür unter den Dinosauriern.“ Er fährt fort: „Das kleine Biest ist das Missing link zwischen den kleinen Raubsauriern und den hochspezialisierten und seltsamen Pflanzen fressenden Therizinosauriern.“

An den nahezu 1.700 in den letzten drei Jahren ausgegrabenen Knochen stellten die Wissenschaftler deutliche Hinweise auf den Wandel der Nahrungsgewohnheiten fest: Statt der dreieckigen, messerartig gekerbten Zähne ihrer fleischfressenden Verwandten hat Falcarius blattförmige, auf der Zerkauen von Pflanzen ausgerichtete Zähne. Sein Becken ist breiter, ein Hinweis auf einen größeren, an Pflanzenverdauung angepassten Magen. Die Hinterbeine waren dicker und kürzer, nach Ansicht der Forscher ein Hinweis darauf, dass die Tiere nicht länger ihrer Beute hinterher rennen mussten. Verglichen mit den Raubsauriern war auch der Hals von Falcarius verlängert und die Vorderbeine beweglicher, wahrscheinlich um besser an die Nahrungspflanzen heran zu kommen.

„Falcarius zeigt die Anfänge von Strukturen, die wir mit pflanzenfressenden Dinosauriern assoziieren“, erklärt James Kirkland, Paläontologe des Utah Geological Survey und Leiter der Studie. Sein Kollege Sampson fährt fort: „Falcarius repräsentiert die Evolution ‚auf frischer Tat ertappt’, eine primitive Form, die vieles mit ihren fleischfressenden Verwandten gemeinsam hat, aber schon eine Reihe von Strukturen besitzt, die zeigen, dass sie schon auf dem Weg zu weiter entwickelten pflanzenfressenden Formen war.“

Rätselhafte Federdinos

Mit den Falcarius-Fossilien wurden keine Federn entdeckt, da diese nur sehr selten erhalten bleiben. „Da eine Reihe von engen Verwandten, die in China entdeckt wurden, Federn hatten, gehen wir davon aus, dass auch dieses Tiergefiedert war“, erklärt Sampson. Die Forscher vermuten, dass die Tiere von dünnen, fellartigen „Proto-Federn“ bedeckt waren, die einen Schaft ähnlich den Vogelfedern besessen haben können oder auch nicht.

Die Gruppe der Therizinosaurier gilt bis heute als sehr rätselhaft. Bis zur Entdeckung von Falcarius wurden nur Bruchstücke von Skeletten anderer Arten gefunden. „Ihre Anatomie war so verschieden von der anderer Dinosaurier, das wir nicht wussten, was wir mit ihnen machen sollten”, sodie Paläontologin Zanno.

Die am höchsten entwickelten Therizinosaurier, die vor 94 bis 65 Millionen Jahren lebten, hatten größere Körper, kurze Beine, breite Hüften, kurze Schwänze, kleine Köpfe und zahlreiche kleine, blattförmige Zähne. Die namensgebende Art der Gruppe, der pflanzenfressende elefantengroße Therizinosaurus, war „die Krönung des Bizarren. Er glich einer Kreuzung aus einem Pfau, einem Gorilla und Edward mit den Scherenhänden“, beschreibt Zanno. Die Klauen der Tiere waren rund 90 Zentimeter lang, daher auch der Name, der übersetzt Sichelechse bedeutet.

Nach Ansicht des Paläontologen Kirkland ist es nicht überraschend, dass Falcarius einen Zwischenschritt zwischen fleischfressenden und pflanzenfressenden Dinosaurier einnimmt. „Alle Linien der pflanzenfressenden Tiere hatten räuberische Vorfahren“, so der Forscher. Seiner Meinung nach könnte die Entwicklung von pflanzenfressenden Therizinosauriern direkt mit der Ausbreitung der Blütenpflanzen vor rund 125 Millionen Jahren gestanden haben.

(University of Utah, 09.05.2005 – NPO)

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