Chemie

Wasser hat kurzes „Gedächtnis“

Extrem schnelle Fluktuationen in flüssigem Wasser nachgewiesen

Einem Forscherteam ist es erstmals gelungen, ultraschnelle Fluktuationen in der Struktur von flüssigem Wasser nachzuweisen. Die Wissenschaftler nutzten dazu neue Methoden der Femtosekunden- Schwingungsspektroskopie. Wie sie in der aktuellen Ausgabe von Nature berichten, geht in dem fluktuierenden Netzwerk gekoppelter Wassermoleküle das strukturelle Gedächtnis innerhalb von 50 Femtosekunden verloren, schneller als in jeder anderen Flüssigkeit.

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Wasser (H2O) ist eine der Grundlagen des Lebens auf der Erde. Es dient als Medium für die wichtigsten biologischen Vorgänge, sei es als „Lösungsmittel“ für Biomoleküle, sei es als Lieferant von Protonen für den Transport von Ladungen. Flüssiges Wasser besteht aus einem ungeordneten Netzwerk von Molekülen, das durch schwache chemische Bindungen (die so genannten Wasserstoffbrücken) zusammengehalten wird.

Dieses Netzwerk unterliegt ständigen Fluktuationen, das heißt, die Anordnung der Wassermoleküle und ihre Wechselwirkung ändern sich ständig. Dabei werden Wasserstoffbrücken immer wieder gebrochen und neu geformt. Trotz intensiver Forschung ist die strukturelle Dynamik des Wassers, die wesentlich im Femtosekundenbereich abläuft, erst in Ansätzen bekannt.

Lichtimpuls weckt Schwingungen

In Experimenten von Wissenschaftlern des Max-Born-Instituts in Berlin-Adlershof und der University of Toronto regt ein Lichtimpuls in einem extrem dünnen Wasserfilm lokal eine molekulare Schwingung an: die Streckschwingung eines Wassermoleküls.Der Wasserfilm ist 0,5 Mikrometer dünn. Zum Vergleich: Ein menschliches Haar ist hundertmal dicker. Der infrarote Lichtimpuls (Wellenlänge: drei Mikrometer) dauert 70 Femtosekunden. Eine Femtosekunde ist ein Millionstel einer Milliardstel Sekunde.

Das von dem Lichtimpuls zum Schwingen angeregte Molekül dient als Sonde für die Fluktuationen des molekularen Netzwerks, die zu einer Veränderung der Schwingungsfrequenz und -phase führen. Mit dem Verfahren der „zweidimensionalen Schwingungsspektroskopie“ machen die Wissenschaftler am MBI diese Änderungen in Echtzeit sichtbar und bestimmen daraus Zeitskala und Mechanismus der Fluktuationen. Dabei zeigt sich, dass die zum Zeitpunkt der Schwingungsanregung vorliegende Struktur des Netzwerks innerhalb von zirka fünfzig Femtosekunden verloren geht, einem Zeitintervall, das viel kürzer ist als die Lebensdauer einer Wasserstoffbrücke von ungefähr tausend Fentosekunden.

Das strukturelle Gedächtnis ist kurz

Ursache des schnellen Strukturverlusts sind gehinderte Kipp- und Rotationsbewegungen der gekoppelten Moleküle, die Wissenschaftler sprechen von „Librationen“ der Wasserstoffbrücken. Diese verändern die relative Orientierung der Wassermoleküle zueinander und tragen so zum Verlust des strukturellen Gedächtnisses in der Flüssigkeit bei. Gleichzeitig wird auf einer etwas langsameren Zeitskala von 100 Femtosekunden die anfänglich lokalisierte Schwingungsanregung auf die Nachbarmoleküle übertragen. Die ultraschnelle strukturelle Dynamik und der extrem schnelle Zerfall lokaler Anregungen sind entscheidend für die Stabilisierung von biologischen Systemen in wässriger Umgebung.

Die Ergebnisse der deutsch-kanadischen Zusammenarbeit, die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Alexander-von-Humboldt-Stiftung gefördert wurden, zeigen erstmals das extrem kurze strukturelle Gedächtnis von reinem Wasser. Die Analyse dieses Verhaltens in ähnlichen Systemen, zum Beispiel in wässrigen Lösungen, und seine Bedeutung für biologische Funktionen werden Gegenstand weiterer gemeinsamer Untersuchungen sein.

(Forschungsverbund Berlin, 10.03.2005 – NPO)

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