Geowissen

Tropische Gewitter geben Geheimnisse preis

Erstmals Spurengase in 20 Kilometer Höhe über den Tropen gemessen

TROCCINOX-Team vor den eingesetzten Forschungsflugzeugen © DLR

Mithilfe der Forschungsflugzeuge „Falcon E-20“ und „Geophysica M55“ haben Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) im Süden Brasiliens untersucht, wie groß die Menge der Stickoxide ist, die bei tropischen Gewittern freigesetzt wird. Dabei ermittelten die Forscher unter anderem erstaunlich hohe Konzentrationen von Spurenstoffen am Unterrand der so genannten Tropopausenübergangsschicht in zirka 15 Kilometer Höhe.

„Wir haben Daten, die vor uns kein anderer gewonnen hat“, sagt der Leiter des Projekts TROCCINOX (Tropical Convection, Cirrus and Nitrogen Oxides Experiment), Professor Ulrich Schumann vom DLR-Institut für Physik der Atmosphäre in Oberpfaffenhofen.

Stickoxide sind Spurengase, die zur Bildung des Ozons in den unteren 10 Kilometern der Atmosphäre beitragen und somit auch den Treibhauseffekt beeinflussen. Sie werden sowohl in technischen Prozessen (beispielsweise in Verbrennungsmotoren) als auch in der Natur gebildet. Um den Beitrag von technischen Maßnahmen zum Klimaschutz bewerten zu können, muss man auch die natürlichen Beiträge kennen, deren größter Anteil in Gewittern entsteht – zum Zeitpunkt, wenn ein Blitz seine enorme Energie freisetzt und die Luft buchstäblich „verbrennt“.

Erstmals Daten in 20 Kilometer Höhe gewonnen

Erstmals ist es dem DLR und seinen Partnern mit der „Geophysica“ jetzt gelungen, Daten in einer Höhe von bis zu 20 Kilometer über einem tropischen Kontinent zu gewinnen. Über Kontinenten ist die Blitzhäufigkeit zehnmal höher als über den Meeren, in denen in der Vergangenheit bereits Messungen vorgenommen wurden. Die Datensätze werden momentan ausgewertet. Mit Ergebnissen wird bis Ende 2005 gerechnet.

Dann, so hoffen die Wissenschaftler, lassen sich noch genauere Aussagen über die Menge der „natürlichen“ Stickoxide machen. Nach einer ersten Kampagne in Brasilien im Projekt TROCCINOX hatten sich das DLR und seine Partner im vergangenen Jahr dem jetzt gemessenen Wert bereits angenähert. Schwankte die Zahl bis dahin noch zwischen einem und 20 Teragramm (ein Teragramm entspricht einer Megatonne) so wird mittlerweile mit einer Spanne von drei bis sieben Teragramm Stickstoff gerechnet, die jährlich weltweit bei Gewittern freigesetzt werden.

Die Messdaten wurden mit den Überflügen des ESA-Satelliten ENVISAT koordiniert, der unter anderem die Sensoren MIPAS und SCIAMACHY trägt. Durch Vergleich der Messungen vom Flugzeug und vom Satelliten aus kann man die Genauigkeit der Satellitenmessungen überprüfen. Bisher gab es im Bereich der Tropen keine geeigneten Vergleichsdaten.

Die Messungen zeigten zudem, dass das neue Wasserdampf-Lidar, das vom DLR vorerst auf der Falcon geflogen wird und das langfristig auf einem Satelliten zum Einsatz kommen soll, auch die sehr niedrigen Werte der Wasserdampfkonzentration in der unteren Stratosphäre mit hoher Genauigkeit misst.

Neue Erkenntnisse über die Tropopausenübergangsschicht

Bei den Messflügen in Brasilien fanden die Forscher zudem überraschend hohe Konzentrationen von Spurenstoffen am Unterrand der so genannten Tropopausenübergangsschicht in zirka 15 Kilometer Höhe – von ihrer Existenz weiß die Wissenschaft erst seit rund fünf Jahren. Statt wie bisher angenommen verteilen sich die Spurengase nicht gleichmäßig vom Boden bis in die obere Atmosphäre, sondern sammeln sich am Unterrand dieser Schicht. „Das verändert unsere Vorstellung von der Struktur der Atmosphäre“, sagt Projektleiter Schumann.

Auf ein weiteres Phänomen stießen die Forscher zudem bei der Vermessung vertikaler Profile der Luftschichten über Brasilien. Zu ihrer Überraschung stellten das DLR und seine Partner fest, dass über der unteren, verschmutzten Luftschicht eine äußerst saubere Schicht mit Luftmassen lag, die vom Pazifischen Ozean stammten. Dieser folgte wiederum eine mit Schmutzpartikeln durchsetzte Schicht mit Luftmassen aus Kolumbien, Ecuador und Peru. „Wir leben in einer globalen Atmosphäre, das hat die Kampagne besonders deutlich gemacht“, so Projektleiter Schumann.

(DLR, 03.03.2005 – DLO)

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