Es ist nicht die schiere Größe, die ihn in ihren Bann zieht, wenngleich auch er seine Brücke der Superlative geplant hat – die Ting-Kau-Brücke in Hong Kong, die mit 1177 Metern zu den längsten und schlanksten Schrägseilbrücken der Welt gehört. Was Mike Schlaich am Vorstoß in andere Dimensionen fasziniert, ist vielmehr, wie dieser mit neuen Technologien und Materialien erreicht werden kann.
„Bestehendes einfach nur hochskalieren, allein um des Monumentalen willen, ist wenig kreativ“, sagt Prof. Dr. Mike Schlaich, der das Fachgebiet Massivbau an der TU Berlin lehrt. Bei der Hängebrücke von Messina zum Beispiel, die eine Spannweite von 3.300 Metern haben werde, beginne das Stahlseil an seine Grenzen zu stoßen, so Schlaich. Noch größere Spannweiten seien künftig wohl nur mit neuen Materialien wie faserverstärkten Kunststoffen möglich.
So beeindruckend das Messina-Projekt in Italien ist, bleibt es doch im Kern ein konventioneller Brückenbau. Mike Schlaich jedoch hat anderes im Blick – die intelligente Brücke, „die ihr Tragverhalten situationsabhängig ändert, um sich wechselnden Lasten anzupassen oder sich zusammenfaltet, wenn sie nicht mehr gebraucht wird“. Schlaichs Vision ist jedoch nicht nur auf Brücken beschränkt, sondern gilt für Dächer, Türme, Hallen und Fassaden ebenso.
„Es wird in Zukunft darum gehen, aktive und wandelbare Bauten zu konstruieren. Aktiv in dem Sinne, dass sie sich verändernden Einflüssen anpassen, und wandelbar, um vielfältige Nutzungen zu ermöglichen.“ Stadien, die durch ein bewegliches Dach in eine Konzerthalle verwandelt werden, seien erst der Anfang.
Lösungsansätze für solche Konstruktionen sieht Schlaich in der Kombination von Leichtbau, Bionik und Mikrosystemen und definiert damit sogleich einen der Schwerpunkte seiner Forschung. Leichtbauten hätten aufgrund ihres geringen Gewichtes das Potenzial, sich anzupassen und zu bewegen, so Schlaich. Die Bionik wiederum, die die Zusammenhänge zwischen Biologie und Mechanik untersuche, könne aus Spinnennetzen, Muschelschalen und Blüten Ideen filtern für derartige Tragwerke.
Die Natur sei in dieser Hinsicht eine unerschöpfliche Quelle der Inspiration. Und mit neuen Technologien wie den Mikrosystemen lasse sich zum Beispiel eine verbesserte Aerodynamik erzeugen. „So ist es denkbar, nicht nur an den Brückenköpfen hydraulisch einstellbare Flügel anzubringen, um das Flattern zu verringern“, erklärt Schlaich, „sondern die gesamte Brücke mit kleinsten Flügeln zu überziehen, so dass sie wie eine Fischhaut umströmt wird.“
(Technische Universität Berlin, 17.02.2005 – NPO)