Das Kürzel CRP für „C-reaktives Protein“ steht für heiße Diskussionen in der Medizin – vor allem, weil die Experten die Frage diskutieren, ob die Blutwerte dieses Moleküls das Herzinfarktrisiko eines Menschen vorhersagen können. Ungeachtet dessen weiß bislang niemand, welche Rolle das Protein bei der Entstehung der Arteriosklerose eigentlich spielt. Eher die eines Schurken? Oder eher die eines Wohltäters? Oder gar keine? Neue Erkenntnisse liefern jetzt die Unteruschungen eines Lübecker Forschers.
Auf der Suche nach Antworten beleuchtet Dr. Wolfram Jabs, Juniorprofessor für Transplantationsimmunologie an der Medizinischen Hochschule Lübeck, nicht die Blutwerte des Proteins, sondern seine Funktion in der Gefäßinnenwand. Der Forscher hat erste Hinweise, wonach das dort produzierte CRP mit Ausmaß und Entwicklung der Arteriosklerose zusammen hängen könnte. Für seine Leistungen wurde er jetzt mit einem Graduierten-Stipendium der Nürnberger Novartis- Stiftung für therapeutische Forschung ausgezeichnet.
Nicht nur die Leber…
Jahrelang dachten Mediziner, dass ausschließlich die Leber bei diversen krankhaften Prozessen CRP bildet und ins Blut ausschüttet. „Das haben wir erstmals widerlegt“ sagt Jabs. Demnach wird das Protein vor allem bei Entzündungen, aber auch bei bestimmten Tumoren in den betroffenen Geweben und Organen selbst produziert – etwa in den Nieren, aber auch in den Muskelzellen der Gefäßinnenwand. Genau dort entsteht die Arteriosklerose.
Offenbar sind die verhängnisvollen „Verkalkungen“ in den Adern Folge einer stetig fortschreitenden Entzündung: In die Gefäßinnenwand wandern spezielle Immunzellen ein, die sich zusammen rotten und haufenweise schädliches Fett einlagern. So wächst eine entzündliche Ablagerung heran. Wenn sie zerreißt, kann sie im Herzen eine der hauchdünnen Arterien verstopfen. Ergebnis: der Infarkt.
CRP-Massenproduktion in Gefäßen
Stark geschädigte Gefäße stellen dabei besonders viel CRP her, wie Jabs entdeckt hat – die reine Massenproduktion. Aber auch „die Muskelzellen vermeintlich gesunder Venen produzieren das Molekül“, staunt der Preisträger nach einer seiner jüngsten Untersuchungen. Dabei werden gerade diese Venen für eine „Bypass-Operation“ verwendet: Um ein verstopftes Herzkranzgefäß zu umgehen, entfernen die Ärzte eine offenkundig gesunde Beinvene und nähen sie unterhalb des Engpasses in die Herzkranzarterie ein.
Wenn aber die Venen nur scheinbar gesund sind, steigt womöglich das Risiko, dass sie auch im Herzen schneller wieder verstopfen. Deutet die gesteigerte CRP-Produktion in den Venen die drohende Arteriosklerose an – sozusagen als Orakel des Verhängnisses im Herzen? Oder versuchen sich umgekehrt die Gefäße mit Hilfe des CRP vor weiterer Entzündung zu schützen? Bislang sind die Daten über die Funktion des Proteins widersprüchlich.
Auswirkungen auf Gefäß-Transplantation
Um Klarheit zu schaffen, wollen Wolfram Jabs und seine Kollegen jetzt systematisch beleuchten, ob und wie die CRP-Produktion in den Venen vor der Transplantation Hinweise auf eine zukünftige Arteriosklerose erlaubt. Sollte CRP tatsächlich die Erkränkung begünstigen, „könnten entzündungshemmende Konzepte in die Vorbeugung der Bypass- Arteriosklerose einbezogen werden, sagt Jabs.
Denkbar ist eine Behandlung mit den vor allem als Fettsenkern bekannten „Statinen“, die nach jüngsten Erkenntnissen wahrscheinlich die CRP-Herstellung regulieren. Eine andere Möglichkeit wäre ein Schnelltest, der vor der Operation die CRP-Produktion in den Wänden der Venen ermittelt, um wirklich das beste Transplantat zu finden – damit der Bypass länger hält.
(Novartis Stiftung für therapeutische Forschung, 14.02.2005 – NPO)