Archäologie

Auch Eiszeitmenschen liebten Musik

30.000 Jahre alte Flöte aus Mammutelfenbein entdeckt

Flöte aus Mammutelfenbein © Hilde Jensen / Universität Tübingen

Bei Ausgrabungen in der Geißenklösterle-Höhle bei Blaubeuren im Schwäbischen Jura haben Forscher der Universität Tübingen ein neues Musikinstrument entdeckt, das deutlich älter als 30.000 Jahre alt ist. Bei dem Fund handelt es sich um eine sorgfältig aus Mammutelfenbein geschnitzte Flöte, die zu den ältesten Musikinstrumenten der Erde zählt.

Die Elfenbeinflöte wurde in diesem Jahr im Zuge der Fundplatzauswertung bei der Durchsicht zahlloser Elfenbeinfragmente entdeckt. Die mit mindestens drei Löchern versehene 18,7 cm lange Flöte wurde aus insgesamt 31 bearbeiteten Elfenbeinfragmenten zusammengesetzt. Gemeinsam mit den bereits zuvor in denselben Ablagerungen entdeckten Flöten aus Vogelknochen hat das Geißenklösterle nunmehr drei der ältesten weltweit bekannten Musikinstrumente geliefert. Die Funde dokumentieren, dass die Ursprünge der Musik bis in das europäische Eiszeitalter vor mehr als 30.000 Jahren zurückverfolgt werden können.

Eiszeit: Musik bedeutender als gedacht

Die stark fragmentierte Elfenbeinflöte lag an der Basis der oberen Aurignacienschichten des Fundplatzes und ist damit vielleicht das älteste der drei Musikinstrumente. Das Aurignacien ist die erste kulturelle Einheit des Jungpaläolithikums und datiert in die Zeit, in der Europa sowohl von den letzten Neandertalern, als auch von den ersten anatomisch modernen Menschen besiedelt wurde. Die genannten Ablagerungen des Geißenklösterle werden durch insgesamt 16 14C-Daten auf 36.000 – 30.000 Jahre vor heute datiert. Eine andere Datierungsmethode, die Thermolumineszenz, hat zwei Daten von circa 37.000 Jahren vor heute geliefert. Damit sind die drei Flöten vom Geißenklösterle deutlich älter, als sämtliche sonstigen bekannten Musikinstrumente und zeigen, dass Musik im Leben unserer eiszeitlichen Vorfahren eine bedeutende Rolle gespielt hat.

Die angewandte Technik, die Flöte aus hartem Elfenbein zu schnitzen, ist weitaus höher einzustufen, als ein solches Instrument aus hohlen Vogelknochen herzustellen. Die Elfenbeinflöte wurde aus zwei vorsichtig geschnitzten Hälften geschnitzt, die dann am perfekt ausgearbeiteten luftdicht abschließenden Saum zusammengebunden und -geklebt wurden.

Die aurignacienzeitlichen Bewohner der Schwäbischen Alb waren handwerklich geschickte Künstler, auf die ebenfalls viele Beispiele der ältesten figurativen Kunst zurückgehen. Diese kleinen Elfenbeinfiguren stammen vom Geißenklösterle und aus drei weiteren Höhlen der Schwäbischen Alb. Das Geißenklösterle ist aber die einzige dieser Fundstellen, in der Musikinstrumente entdeckt wurden. Die herausragenden Funde aus den Höhlen des Schwäbischen Jura weisen die Region als eines der Schlüsselgebiete frühester kultureller Innovationen am Beginn des Jungpaläolithikums aus. Sie spielen eine bedeutende Rolle bei der weltweit geführten Diskussion um die Ursprünge kultureller Modernität. Sie zeigen, dass die Bewohner des europäischen Eiszeitalters vor nicht weniger als 35.000 Jahren in kultureller Hinsicht bereits auf dem Niveau historisch belegter Bevölkerungen standen und ein voll entwickeltes modernes Verhalten zeigten.

Ästhetisch ansprechende Musik

Von Friedrich Seeberger, einem Spezialisten für archäologische Musik, durchgeführte Experimente belegen, dass mit den aurignacienzeitlichen Flöten eine variantenreiche und nach heutigen Maßstäben ästhetisch ansprechende Musik gespielt werden kann. Auch wenn nicht bekannt ist, welche spezifischen Melodien die steinzeitlichen Musiker spielten, konnte Seeberger mit modernen Rekonstruktionen der Flöten die Notenbandbreite sowie die möglichen Tonkombinationen simulieren.

Im Anschluss an die am 16. Dezember 2004 in der Abteilung für Ältere Urgeschichte und Quartärökologie im Schloss Hohentübingen durchgeführte Pressekonferenz wird die neue Flöte die Flöten aus Vogelknochen in der derzeit im Württembergischen Landesmuseum in Stuttgart zu diesem Thema gezeigten Sonderausstellung ergänzen.

(idw – Universität Tübingen, 17.12.2004 – DLO)

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