Forscher des Max-Born-Institut in Berlin haben atomare Bewegungen in einer Halbleiternanostruktur sichtbar gemacht. Sie nutzten dafür eine neuartige, durch einen Laser getriebene Quelle für ultrakurze Röntgenimpulse.
„Mit unserer Variante der Femtosekunden-Röntgenbeugung können wir Veränderungen in allerkürzester Zeitskala nachverfolgen“, erläutert Matias Bargheer, der die Arbeiten gemeinsam mit Michael Wörner, Nikolai Zhavoronkov und Thomas Elsässer durchgeführt hat. Die Wissenschaftler berichten darüber in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Science.
Mit Röntgenstrahlen in das Innere von Gegenständen blicken – das geschieht beim Sicherheitscheck am Flughafen ebenso wie in der medizinischen Diagnostik, der Materialprüfung, der Untersuchung alter Kunstwerke und bei der Analyse atomarer und molekularer Strukturen.
Elementare Abläufe in der Natur werden aufgezeichnet
Dabei entstehen in der Regel statische Aufnahmen: Der Zustand des Objekts wird zu einem bestimmten Zeitpunkt oder gemittelt über ein Zeitintervall dargestellt. Wissenschaftler haben jedoch großes Interesse, den Ablauf von Vorgängen durch eine Sequenz von „Schnappschüssen“ zu analysieren.
Seit einiger Zeit arbeitet man weltweit daran, ultrakurze Röntgenblitze herzustellen und mit ihnen elementare Abläufe in der Natur aufzuzeichnen, etwa atomare und molekulare Bewegungen oder das Brechen chemischer Bindungen. Derlei Prozesse laufen häufig im Zeitbereich unterhalb einer Pikosekunde ab, das heißt, sie sind kürzer als das Millionstel einer Millionstel Sekunde.
Bewegungen in einer Nanostruktur verfolgt
Am MBI gelang es nun, solche Bewegungen in einer Nanostruktur zu verfolgen. Die Struktur besteht – ähnlich wie viele optoelektronische Bauelemente – aus einer regelmäßigen Abfolge dünner Galliumarsenid- und Aluminium-Galliumarsenid-Schichten. Ein ultrakurzer Laserimpuls löst in diesem Schichtpaket Gitterschwingungen aus, also periodische Bewegungen der Atome im Kristallgitter, die durch Beugung eines verzögerten Röntgenimpulses an der schwingenden Struktur abgebildet werden. Die extrem kurze Wellenlänge der harten Röntgenstrahlung erlaubt eine hochpräzise Messung der atomaren Positionen. Durch Variation der Verzögerungszeit zwischen Anregung und Röntgenimpuls wird eine Sequenz von Schnappschüssen im Abstand von zirka 0,1 Pikosekunden aufgenommen.
Obwohl die Auslenkung der Atome nur ein Tausendstel ihres gegenseitigen Abstandes beträgt, lässt sich aus diesem „Video“ die atomare Bewegung vollständig rekonstruieren. Damit wird der Erzeugungsmechanismus der Gitterschwingungen, im Fachjargon „displacive excitation of coherent phonons“, erstmals eindeutig bestimmt. Das bedeutet, dass die Anregung der Elektronen die Gitterschwingungen auslöst und während der Vibration bestehen bleibt.
Forscher untersuchen Verhalten von Supraleitern
Die Berliner Forscher demonstrieren in ihrer Arbeit eine bisher unerreichte Kombination von räumlicher und zeitlicher Auflösung. Damit wird eine Vielzahl neuer Untersuchungen an Festkörpern und Biomolekülen (in kristallisierter
Form) möglich.
In einem nächsten Schritt will die MBI-Gruppe Supraleiter und ihr Verhalten untersuchen. „Womöglich können wir sogar das Henne-Ei- Problem bei Phasenübergängen lösen“, sagt Bargheer. Bislang weiß man nämlich nicht, ob sich zunächst das Elektronensystem ändert und sich dann die Positionen der Atomkerne daran anpassen oder ob die Strukturänderung der Kerne das elektronische System zur Veränderung bringt. Weitere grundlegende Phänomene, in denen Elektronen Korrelationen aufweisen, könnten mit der Femtosekunden-Röntgenbeugung näher erforscht werden. Dazu zählt neben der Supraleitung auch der Magnetismus.
(idw – Forschungsverbund Berlin, 03.12.2004 – DLO)