Manche Dinosaurier verfügten über einen harten Knochenpanzer, ähnlich wie heute Krokodile oder Schildkröten – vermutlich, um sich vor Feinden zu schützen. Der Aufbau dieser Rüstungen scheint teilweise sehr viel komplizierter zu sein als bislang angenommen. Paläontologen der Universität Bonn haben jetzt nachgewiesen, dass einige Panzer modernen Verbundwerkstoffen ähneln, wie sie beispielsweise in schusssicheren Westen eingesetzt werden. Andere Saurier hatten ihren „Schutzanzug“ sogar noch weiter perfektioniert: Ihre Panzer waren erheblich dünner und leichter – bei vermutlich ähnlicher Stabilität.
Panzerung von Urzeitechsen genauer untersucht
Ihre Rüstung war perfekt, selbst ihre Augenlider bestanden aus Knochenplatten: Die so genannten Ankylosaurier zählen zu den am besten gepanzerten Tieren, die man kennt. Bis zu zehn Meter wurden die Pflanzenfresser lang, ihr Schwanz lief mitunter zu einer gewaltigen knöchernen Keule aus – „wahrscheinlich eine Waffe“, sagt Torsten Scheyer, „auch wenn sie sie mit Sicherheit nicht einfach hin- und herschwingen konnten; dazu war die Konstruktion einfach zu steif.“
Scheyer hat in seiner Diplomarbeit die Panzerung der Urzeitechsen genauer untersucht – mit erstaunlichem Ergebnis: „Die Knochenplatten ähneln längst nicht so stark denen der Krokodile wie bislang angenommen“, sagt er. „Ihre Feinstruktur ist zumindest bei manchen Ankylosaurier-Gruppen erheblich komplizierter!“
Dino-Kettenhemd aus Osteodermen
Ein komplettes Dino-Kettenhemd bestand aus Hunderttausenden von knöchernen Panzerplatten, so genannten Osteodermen. Die meisten von ihnen waren kleiner als eine Ein-Cent-Münze, manche hatten aber auch einen Durchmesser von mehreren Dutzend Zentimetern und liefen in langen Spitzen aus. „Anders als bei der Schildkröte waren die einzelnen Platten nicht fest miteinander verschmolzen, sondern lagen nebeneinander in der Haut“, erklärt Scheyer. Eine solche Panzerung war flexibel und konnte unter Druck nicht so leicht zerbrechen. Heutige Krokodile tragen zwar eine ähnliche Rüstung; die einzelnen Knochenplatten sind bei ihnen aber weitaus simpler aufgebaut.
Unter dem Polarisationsmikroskop konnte Scheyer feststellen, dass in den Knochenkalk des Saurier-Panzers Kollagenfasern eingewebt waren, die dreidimensional ineinander verwobene Matten bildeten. Innerhalb jeder Matte verliefen die Fasern parallel; die Fasern waren aber um 45 Grad gegenüber den umgebenden Matten verdreht. „Die Panzer erreichten so in jede Raumrichtung eine enorme Stabilität“, so der Doktorand. Nach ähnlichen Prinzipien sind heute die Verbundwerkstoffe aufgebaut, aus denen beispielsweise die Rotoren von Windkraftwerken oder schusssichere Westen bestehen – nur dass dort Glas- oder Kohlefasern an Stelle der Kollagenmatten treten.
Kollagen ist ein Protein, aus dem beispielsweise Bindegewebe, Sehnen oder Knorpel aufgebaut sind. Die Knochenplatten bildeten sich bei den Ankylosauriern in der Bindegewebsschicht und umhüllten dabei das bestehende Kollagengeflecht. Bei der Fossilisation verwest dieses Geflecht und wird durch Mineralien ersetzt. „In den Versteinerungen sind die Faserverläufe häufig noch nach hunderten von Millionen Jahren zu erkennen“, sagt Scheyer.
Manche Panzer sind noch stabiler
Paläontologen unterteilen die Ankylosaurier in drei Untergruppen. Die Schusswesten-Struktur lässt sich nur bei einer davon nachweisen; eine zweite hat vergleichsweise einfach gebaute Panzerplatten. In der dritten Gruppe besteht die Rüstung paradoxerweise aus so genanntem „Havers’schem Knochen“ – einer Form, die der britische Anatom Clopton Havers schon im 17. Jahrhundert beim Menschen beschrieb. Mit den Jahren baut sich der menschliche Knochen nämlich um; die Bälkchen im Knocheninnern lösen sich auf und werden durch zahlreiche Knochenröhrchen, so genannte Osteone, ersetzt. Das führt zu Stabilitätseinbußen und ist ein Grund für die sprichwörtlichen „morschen Knochen“ im Alter. „Derartige Osteone gibt es auch bei Ankylosauriern“, so Scheyer, „nur sind sie dort im Gegensatz zum Menschen wieder mit Fasern verstärkt.“
Eventuell sorgen die Kollagenfasern dafür, dass dieser dritte Panzertyp sogar noch stabiler ist als die „normale“ Ankylosaurierrüstung. „In dieser dritten Gruppe sind die Knochenplatten viel dünner als bei allen anderen Ankylosauriern – das spart Gewicht und Nährstoffe.“ Dennoch seien sie wohl nur schwer zu knacken gewesen – und zwar nicht nur aufgrund ihrer Faserverstärkung: „Diese dünnen Knochenplatten waren so raffiniert geformt, dass sie Druck viel besser aufnehmen konnten und nicht so schnell zerbrachen.“
(idw – Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, 16.11.2004 – DLO)