Die arktische Eiskappe schmilzt noch schneller als bisher angenommen. Dies ist das Ergebnis eines Berichts, der am 08. November von einer Expertenkommission aus 250 internationalen Wissenschaftlern veröffentlicht wird. In dem Arctic Climate Impact Assessment (ACIA) Report kommen die Forscher zu dem Schluss, dass die Arktis sich aufgrund der Treibhausgase etwa zwei Mal so schnell erwärmt wie der Rest des Planeten.
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Die Eisbedeckung der Arktis ist in den letzten 30 Jahren um 15 bis 20 Prozent geschrumpft, so der stellvertretende Leiter des ACIA Berichts, und dieser Trend werde sich fortsetzen. Zum Ende dieses Jahrhunderts könnte das arktische Meer im Sommer komplett eisfrei sein. Als Verursacher dieser Entwicklung sehen die Forscher hauptsächlich die Emissionen von Treibhausgasen durch den Verkehr, die Industrie und Kraftwerke.
Nordmeer eisfrei
In dem Bericht prognostizieren die Wissenschaftler einen Temperaturanstieg in der Arktis um vier bis sieben Grad Celsius innerhalb der nächsten hundert Jahre. Sollten die Temperaturen anschließend auf diesem Niveau stabil bleiben, könnte auch die Eiskappe Grönlands in tausend Jahren komplett abgeschmolzen sein. Da es sich dabei nicht um Meereis sondern um Festlandseismassen handelt, würde dies den globalen Meeresspiegel um bis zu sieben Meter ansteigen lassen.
Doch die Folgen der Erwärmung seien in der Arktis bereits jetzt deutlich sichtbar, so der Bericht: Während der Permafrost abtaut und dadurch die Fundamente von Gebäuden instabil und Straßen zerstört werden, fallen Jäger der Inuit durch das dünner werdende Meereis und den Tieren schmelze buchstäblich ihr Habitat unter den Füßen weg. Doch auch einige positive Nebeneffekte zeigen die Forscher auf: Jetzt noch unzugängliche Öl- und Gaslagerstätten könnten zukünftig leichter erreichbar und damit ausbeutbar werden, die Landwirtschaft könne weiter in den Norden vorrücken und die transarktischen Schiffsverbindungen wären zunehmend eisfrei.
Patt beim arktischen Klimaschutz
Der Bericht soll die Grundlage für Beratungen auf einem Treffen der Außenminister aller an das Polargebiet angrenzenden Staaten am 24. November auf Island bilden. Bisher sind sich diese Länder, darunter Kanada, die USA, Russland, Dänemark, Norwegen, Schweden, Finnland und Island, allerdings uneins über mögliche Maßnahmen gegen diese aktuelle Entwicklung.
Während die meisten Anrainerstaaten, Russland erst vor kurzem, bereits das Kyoto-Protokoll unterzeichnet haben, weigern sich die USA, Zugeständnisse im Klimaschutz zu machen. Die neuen Gesprächsrunden sollen nun Wege aufzeigen, die harten Fronten aufzuweichen. Umweltverbände wie der WWF beschuldigten allerdings alle acht Anreinerstaaten der Heuchelei, da diese als Verursacher von rund 30 Prozent der weltweiten Emissionen von Treibhausgasen zwar Berichte wie den jetzt zur Veröffentlichung anstehenden ACIA Report finanzieren würden, aber andererseits keinerlei Anstalten machten, ihre Emissionen nachhaltig zu reduzieren. “Die große Schmelze hat begonnen”, erklärt Jennifer Morgan, Leiter der Globalen Klimaschutzkampagne des WWF.
(ACIA, 04.11.2004 – NPO)