Geowissen

Meteoritenregen am Chiemsee?

Mehr als 80 neu entdeckte Krater sollen von Einschlägen in der Keltenzeit zeugen

Krater im Wald © Universität Würzburg

Gab es einen Meteoriteneinschlag am Chiemsee zur Zeit der Kelten oder nicht? Nach Ansicht eines Forscherteams ja. Sie haben im Südosten von Bayern mehr als 80 Krater mit Durchmessern von drei Metern bis zu einem halben Kilometer entdeckt. Ihrer Ansicht nach wurde diese durch Bruchstücke eines einzigen Kometen verursacht.

Die potenziellen Krater befinden sich in einem ellipsenförmigen Areal, 58 Kilometer lang und 27 breit – ein so genanntes Streufeld. Nach Ansicht der Forscher um den Astronomen Michael Rappenglück aus Gilching und den Geophysiker Kord Ernstson entstand dieses, nachdem ein Komet beim Eintritt in die Atmosphäre explodiert war. Seine mächtigsten Bruchstücke gingen rund um den Chiemsee nieder, dort befinden sich die größten Krater. Dagegen flogen die kleineren Fragmente nicht so weit, sie landeten in der Inn-Salzach-Region nordöstlich des Sees. „Also kam der Meteorit von Nordosten“, so der Würzburger Ernstson, der sich seit 30 Jahren wissenschaftlich mit Meteoriteneinschlägen befasst.

Glasbildung durch extreme Hitze

Ernstson zufolge besitzen alle Krater einen typischen Ringwall, sofern sie nicht durch landwirtschaftliche Tätigkeiten eingeebnet wurden. Ebenfalls eindeutige Zeichen: In den Kratern finden sich eine Ascheschicht sowie extrem deformierte Steine und auch „Gerölle, die völlig glatt mit Glas überzogen sind“, wie Ernstson beschreibt. Zu dieser Verglasung kommt es, wenn Steine durch eine kurzzeitige, extreme Hitzeeinwirkung angeschmolzen werden. Außerdem fanden die Forscher im Bereich der Krater metallhaltiges Material, das Analysen zufolge von dem eingeschlagenen Himmelskörper herzuleiten ist.

Dünnschliffe zeigen thermischen Schock

Die geochemischen Untersuchungen erledigt der Würzburger Mineraloge Ulrich Schüßler, der vor einigen Wochen zur Forschungsgruppe dazugestoßen ist. Er nahm sich Schottermaterial aus den Kratern vor und fertigte davon Dünnschliffe an – hauchdünn abgeschliffene Gesteinsplättchen, die sich dann mikroskopisch und mit einer so genannten Mikrosonde chemisch analysieren lassen. Auch seine Forschungen bestätigen, dass die Gesteinsbrocken einem thermischen Schock ausgesetzt waren, also einer kurzzeitigen und extremen Erhitzung auf bis zu mehrere tausend Grad Celsius.

Hobby-Archäologen gaben erste Hinweise

Die Wissenschaftler nehmen an, dass der Meteorit in der Keltenzeit niederging, möglicherweise um 200 vor Christi Geburt. Darauf weisen mehrere Indizien hin. Unter anderem werteten bayerische Hobby-Archäologen nahe bei einem Krater einen Depotfund aus und fanden darin keltische Bronzestücke – Nägel, Ringe und anderes – die alle einseitig angeschmolzen waren. Als Ursache dafür kommt den Entdeckern zufolge nur ein Ereignis mit plötzlicher starker Hitzeentwicklung in Betracht.

Es waren die Hobby-Archäologen Werner Mayer, Gerhard Benske, Rudolf Beer, Christian Siegl, Ralph Sporn und Thomas Bliemetsrieder, die die ganze Sache überhaupt erst ins Rollen gebracht hatten. Im Jahr 2000 stießen sie bei archäologischen Erkundungen im Chiemgau immer wieder auf eigenartiges metallisches Material, das über große Flächen verbreitet und auch in größeren Tiefen zu finden war. Stets fanden sie das rätselhafte Material in der Nähe von kraterförmigen Strukturen – so kamen sie auf die Idee, dass hier ein Meteoritenschauer niedergegangen sein könnte und führten umfangreiche Geländeuntersuchungen durch.

Zusammen mit dem Astronomen Michael Rappenglück aus Gilching suchten sie außerdem nach einem Geologen, der in Sachen Meteoriteneinschläge bewandert ist, und stießen über das Internet auf Kord Ernstson. Das war im Sommer 2004. Nach gemeinsamen Geländebegehungen bestätigte der Würzburger Wissenschaftler zweifelsfrei, dass es sich bei den Kratern um Meteoriteneinschläge handelt. Im Verein mit Michael Rappenglück, Werner Mayer, Gerhard Benske und Ulrich Schüßler wurde schließlich der Bericht erarbeitet, der jetzt in „Astronomy“ nachzulesen ist. Unumstritten ist ihre Sicht der Abläufe allerdings nicht, viele Geowissenschafler sehen in den Formationen und Funden keineswegs Belege für einen Einschlag.

(Universität Würzburg, 26.10.2004 – NPO)

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