Netzwerke wie das Internet oder die Stromversorgung sind sensible Gebilde. Fällt nur ein Knotenpunkt aus, kann das gesamte Netz zusammenbrechen. Einem Dresdner Physiker ist es jetzt in einem Computermodell gelungen, die fatalen Kettenreaktionen zu verhindern und damit einen Schutz gegen Stromausfälle oder Angriffe auf Computernetze zu entwickeln.
Stromnetze oder Computernetzwerke sind deshalb so sensibel, weil sie äußerst komplex und hierarchisch aufgebaut sind. Sie bestehen aus Knoten – zum Beispiel Servern oder Kraftwerken – die wieder mit anderen Knoten verbunden sind. Diese Netzwerke sind empfindlich gegen sich wellenartig ausbreitende Ausfälle, die dann eintreten, wenn große, stark vernetzte Knoten abrupt vom Netz getrennt werden. Stromnetze oder Computernetzwerke können durch den Ausfall weniger Knoten komplett zusammenbrechen. Denn obwohl diese einzelnen Ausfälle kaum Folgen für die Verbindungen innerhalb des Netzwerks haben, ziehen sie eine Kettenreaktion weiterer Ausfälle nach sich, die schließlich das gesamte Netz zum Erliegen bringen. Der stundenlange Stromausfall, der am 14. August 2003 den Nordosten der USA lahm legte, war ein solches Beispiel.
Peripherie entlastet Zentrum
Adilson Motter vom Dresdner Max-Planck-Institut für Physik zeigte nun mit einem idealisierten Modell, dass es auch in Infrastrukturnetzen, wie Stromnetzen oder Computernetzwerken, möglich sein könnte, die durch Angriffe auf zentrale Knoten ausgelösten Kettenreaktionen, wirkungsvoll zu unterdrücken, wenn man unmittelbar nach den ersten Angriffen oder Ausfällen periphere Knoten in diesem Netzwerk abschaltet. In den meisten Netzwerken sind einzelne Knoten stärker belastet als andere. Bisherige Studien hatten bereits gezeigt, dass sich der Ausfall solcher zentraler Knoten – wie der backbone router im Internet – kaskadenartig ausbreitet und in einer Kettenreaktion immer mehr Ausfälle erzeugt. Hingegen hat der Ausfall peripherer Knoten wenig Folgen. Das Netzmodell von Motter zeigte nun, dass das gezielte Abschalten peripherer Knoten nach dem ersten Ausfall, also noch vor der Ausbreitung der Kettenreaktion, der Schlüssel sein könnte, um das Ausmaß der Katastrophe zu beschränken.
„Gegenfeuer“ löschen Netz-„Brand“
Die so genannte „Kaskaden-Kontrolle“ beruht darauf, dass periphere Knoten wesentlich zur Gesamtlast beitragen. Werden sie abgeschaltet, bewahrt das das Gesamtnetz vor Überlastung. Umgekehrt kann das selektive Unterbrechen der Verbindungen zwischen den Knoten die Ausbreitung der Kaskade einschränken. Die Methode ähnelt damit dem Löschen von Waldbränden, die durch Schneisen und gezielt gelegte Gegenfeuer unter Kontrolle gebracht werden. Die neuen Forschungsergebnisse könnten potentiell geeignet sein, das Ausmaß kaskadenartiger Ausfälle, wie sie zum Beispiel durch Hacker im Internet oder Terroristen in Stromnetzen verursacht werden könnten, zu begrenzen.
(Max-Planck-Gesellschaft, 22.09.2004 – ESC)