Neurobiologie

Fehlende Träume helfen Traumforschern

Träumen und REM-Schlaf voneinander unabhängig

Normalerweise träumen wir alle im Schlaf – selbst wenn wir uns morgens nicht mehr daran erinnern können. Doch jetzt könnte der extrem seltene Fall einer durch einen Schlaganfall traumlos gewordenen Frau die Schlafforscher auf eine wichtige Spur gebracht haben. Die neuen Erkenntnisse können dazu beitragen, das Geheimnis des Träumens zu lösen.

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In einer neuen Studie beschreiben Wissenschaftler der Universitätsklinik Zürich eine Patientin, die nach einem Schlaganfall in einer eng umgrenzten Hirnregion zwar ansonsten kaum Ausfälle zeigte, aber komplett die Fähigkeit zu träumen verloren hat. Untersuchungen an dieser Patientin zeigen, dass diese Hirnregion möglicherweise entscheidend für die Entstehung von Träumen sein könnte.

“Wie Träume gebildet werden und welchem Zweck sie dienen sind noch immer völlig offene Fragen“, erklärt Claudio Bassetti, Neurologe am Züricher Universitätsklinikum und Author der Studie. „Unsere Ergebnisse beschreiben zum ersten Mal detailliert eine Läsion, die nötig ist um in Abwesenheit von neurologischen Defiziten einen Traumverlust auszulösen. Damit liefern sie uns ein konkretes Ziel für die Suche nach der Lokalisation des Träumens.”

Die einzigartige Gelegenheit für die Traumforscher begann mit einem sehr unglücklichen Ereignis: Eine 73-jährige Frau erlitt einen Schlaganfall, die Blutzufuhr zu einem kleinen Teil im hinteren Gehirnbereich war unterbrochen. Als Folge traten bei ihr Ausfälle vor allem im visuellen Bereich auf, da auch das Sehzentrum in dieser Hirnregion liegt. Nach einigen Tagen verschwanden diese Ausfälle jedoch glücklicherweise wieder, dafür aber tauchte ein neues Symptom auf: Die Patientin hörte auf zu träumen.

In den sechs Wochen nach ihrem Schlaganfall untersuchten die Neurologen die Hirnströme der Patientin während ihres Schlafs – fanden aber überraschenderweise nichts Auffälliges. Ihr Schlafzyklus und auch die Wellen, die den so genannten REM-Schlaf charakterisieren, wiesen ein komplett normales Muster auf. Erstaunlich ist dies deshalb, weil normalerweise REM-Schlaf und Träumen gemeinsam auftreten. Zwar hatten vorhergehende Untersuchungen schon angedeutet, dass beide auf unterschiedliche Mechanismen zurückgehen, doch die jetzigen Beobachtungen haben bestätigt, dass Träumen und REM-Schlaf tatsächlich voneinander unabhängigen erfolgen.

Mithilfe von Magnetresonanztomographie konnten Bassetti und seine Kollegen die geschädigte Hirnregion genau lokalisieren. Sie liegt im Hinterkopf in einem Bereich, der bei der Verarbeitung von Gesichtern und Landmarken, aber auch von visuellen Erinnerungen und Gefühlen eine wichtige Rolle spielt, wie aktuelle Studien gezeigt haben. „Für weitergehende Erkenntnisse über diese Hirnregion und ihre Rolle beim Träumen brauchen wir mehr Studien, die die Traumveränderungen in Patienten mit Hirnschäden analysieren“, erklärt Bassetti.

(John Wiley & Sons, 14.09.2004 – NPO)

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