Medizin

„Telomer-Krise“ als Brustkrebsauslöser?

Erodierte Chromosomenenden "tricksen" Zelltod aus

Telomere, die Endungen der Chromosomen, könnten eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung von Brustkrebs spielen. Wissenschaftler haben jetzt entdeckt, dass eine Vorstufe von Krebs entsteht, wenn die Telomere bedrohlich geschrumpft sind und daraufhin ein spezieller Reparaturmechanismus der Zelle „Amok“ läuft. Ihre Ergebnisse berichten sie im Journal Nature Genetics.

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In der Brust können Zellen der Milchgänge ausgelöst durch einen Kontrollfehler im Genom exzessiv beginnen zu wachsen. Joe Gray vom Lawrence Berkeley National Laboratory und Professor an der Universität von Kalifornien und seine Kollegen sehen hier den entscheidenden Schritt hin zu einer Krebsvorstufe, der so genannten „duktalen Hyperplasie“.

„Die Chromosomen in diesen wachsenden Zellen verlieren hunderte von Basenpaaren ihrer DNA jedes Mal wenn sie sich teilen, weil der normale Kopiervorgang nicht die gesamte DNA bis in die äußersten Enden kopiert“, erklärt Gray. „Dieses erodiert die DNA-Sequenzen, die mit Proteinen interagieren um die Telomere zu bilden und damit die Chromosomenenden zu schützen.“

Zelltod ausgestrickst

Mit der Zeit erodieren die DNA-Enden so stark, dass sie die Chromosomen nicht länger schützen können. Wenn dies geschieht, werden die Chromosomen instabil und Reparaturmechanismen greifen ein, um die instabilen Zellen abzutöten. Dieser Prozess, als „Telomer-Krise“ bekannt, schützt normalerweise gegen unkontrolliertes Zellwachstum wie Krebs.

Gray und seine Kollegen sind der Ansicht, dass dies „sehr selten einen spezialisierten Reparaturkomplex, die Telomerase, aktiviert, die Telomere wiederherstellen kann- Zellen, in denen die Telomerase aktiviert ist können sich dann unendlich oft teilen und bilden die nächste Stufe auf dem Weg zum Krebs, das „duktale Karzinom in situ““, so Gray. Schreitet der Krebs weiter fort, dringt es auch in andere Teile der Brust ein und unter Umständen sogar in andere Organe.

Allerdings stimmen nicht alle Krebsforscher dieser Theorie – und damit der entscheidenden Rolle der Telomer-Krise – bei der Krebsauslösung zu. Sie machen eher andere Ursachen verantwortlich, da die einzelne Schritte bei Grays Theorie bisher nicht im einzelnen experimentell belegt werden können. Beim Menschen ist die Abfolge von normalen Milchgängen zum duktalen Karzinom in situ zu invasivem Brustkrebs nur eine Schlussfolgerung“, erklärt Gray. „Weil wir nicht den ganzen Weg am gleichen Gewebe beobachten können.“

Gewebekulturen zeigen Zusammenhang

Um dennoch die Zusammenhänge klären zu können, haben die Wissenschaftler die Vorgänge in Gewebekulturen untersucht. Mithilfe von konfokaler 3-D Mikroskopie und genetischen Analysen analysierte die Forscher in jedem Stadium die Genstabilität und damit zusammenhängende Faktoren wie den DNA-Anteil, Anzeichen für veränderte Chromosomen, die Telomerlängen und die Anzahl der Kopien von mutmaßlichen Krebsgenen.

Es zeigte sich, dass die Telomerlängen deutlich von normalen Zellen bis hin zum Krebs abnahmen, während alle anderen Anzeichen für Gehirnstabilität zunahmen. Die Gewebeproben deuteten auch darauf hin, dass nur sehr wenige Zellen die Telomer-Krise überleben – die meisten Zellen mit zu kurzen Telomeren fielen dem programmierten Zelltod zum Opfer. Wenn ein Karzinom in situ entsteht, hat es daher seinen Ursprung vermutlich in einer einzigen Zelle, die diesem Schicksal entgangen ist und es stattdessen geschafft hat, die Telomerase zu aktivieren.

„Unsere Ergebnisse bestätigen zwei Dinge“, so Gray. „Zum einen das die Telomer-Krise tatsächlich eine wichtige Rolle bei der Entwicklung der meisten Brustkrebsarten spielt. Zum anderen, dass dies am Übergang von der Hyperplasie zum Karzinom in situ geschieht.“

Die Studie deutet zudem darauf hin, dass Menschen mit einem höheren Brustkrebsrisiko möglicherweise im Vorhinein identifiziert werden könnten, indem ihre Telomeraseaktivität, die Genstabilität und andere Signale gemessen werden. Diese Erkenntnisse könnten auch einen möglichen Weg zur Krebsbekämpfung eröffnen, bei dem das „Austricksen“ der Telomer-Krise verhindert wird, indem gezielt Substanzen die Reparaturmechanismen der Zelle fördern und die Aktivierung der Telomerase verhindern. Einige dieser potenziellen Wirkstoffe werden zur Zeit getestet.

(Lawrence Berkeley National Laboratory, 12.08.2004 – NPO)

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