Neurobiologie

Pupillen sagen mehr als 1.000 Worte

Emotionale Reaktion am Auge messbar

Messung des Pupillenverhaltens © FU Berlin

Pupillen reagieren auch dann, wenn wir scheinbar keine Reaktionen zeigen wollen. Sie sind der Spiegel unserer Wahrnehmung, unserer Emotionen und Informationsverarbeitungsprozesse, denn sie reagieren unwillkürlich auf mentale Reize. Dieses Phänomen nutzen Medienforscher der Freien Universität Berlin, um die unbewusste Wirkung der Medien auf den Menschen – sei es die emotionale Beteiligung oder mentale Beanspruchung – mithilfe eines neuartigen Verfahrens zu messen und darzustellen.

Die Pupille weitet oder verengt sich, wenn sich der Irismuskel zusammenzieht oder erschlafft. Der Muskel erhält die Reize über den Hypothalamus, das Regulationszentrum des vegetativen Nervensystems. Wissenschaftler gehen deshalb davon aus, dass nicht nur Licht einen Einfluss auf die Größe der Pupillen hat, sondern auch psychische Ereignisse. Die Pupille weitet sich durch eine „sympathische Erregung“ des vegetativen Nervensystems und dient demzufolge als Indikator mentaler Belastung, eine Verengung hingegen nicht.

Bio-Feedback verrät Reaktion

Diese Erkenntnis wendet nun Florian Kerkau vom Center for Media Research der Freien Universität Berlin für ein neues Verfahren an, mit dem sowohl Produktevaluation betrieben als auch die Wirkung von Medien auf uns Menschen analysiert werden kann. Zwar sind Pupillenmessungen in diesen Bereichen keine grundsätzlich neue Erfindung, doch hat der Medienforscher eine Messtechnik entwickelt, die weitaus präzisere Ergebnisse liefert als bisherige Verfahren.

„Mit dem Bio-Feedback-Device können wir messen, wie emotional und mental aktiv wir Menschen sind, wenn Reize auf uns wirken“, sagt Florian Kerkau. Da die Pupille jedoch nicht nur auf Veränderungen reagiert, die durch emotionale und mentale Beanspruchung hervorgerufen wird, sondern auch auf andere Faktoren (insbesondere auf die Lichtverhältnisse), muss bei Verfahren zum Ermitteln der Pupillenreaktionen eine Korrektur vorgenommen werden. Damit also die Reaktion der Pupillen ausschließlich auf das untersuchte Objekt – wie etwa der Spannungsgrad eines Krimifilms – gemessen werden kann, müssen alle anderen Reizquellen ausgeblendet werden.

„Pupillen reagieren zum Beispiel auf die strahlenden Computerbildschirme oder auf die Reflektion der Schreibtischoberfläche“, erklärt der Medienforscher. Er misst deshalb den Durchmesser der Pupille einer Versuchsperson und parallel dazu den Helligkeitswert der Umgebung. Die Daten der Pupillenwerte und die der Beleuchtungswerte verrechnet Florian Kerkau anschließend gegeneinander. Hierfür hat er eine neue Funktion, eine Rechenformel, herausgefunden.

Weg zur Mensch-Maschine-Interaktion

„Das System könnte sogar die Prozesssteuerung durch Veränderungen im vegetativen Nervensystem ermöglichen und stellt schon alleine deshalb eine neuartige Entwicklung im Bereich der Mensch-Maschine-Interaktion dar“, so Florian Kerkau. „Das Bio-Feedback-Device kann die bisher gängige Methode der Messung des Hautleitwerts ablösen, weil die Pupille der schnellere und genauere Indikator für die Aktivität des autonomen Nervensystems ist.“ Die Messung sei außerdem für den Nutzer angenehmer, da sie ohne die störende Verkabelung des Nutzers auskomme, wie das bei der Messung des Hautleitwertes notwendig ist. Hierbei muss die Versuchsperson mit Elektroden verkabelt werden.

Das Gesamtsystem besteht aus einer Software, die für Windows geeignet ist, und aus drei handelsüblichen Computern. Einer der Computer ist für den Nutzer vorgesehen. Das Auge des Nutzers wird dabei von einer speziellen Infrarotkamera gefilmt. Die gewonnen Videodaten werden an den zweiten Computer übergeben, der die Rolle eines Kontroll-Computers übernimmt. Er wertet mithilfe einer Videokarte die Daten aus und bestimmt den aktuellen Pupillendurchmesser. Diese Pupillenwerte werden wiederum an den dritten Computer, die Analyseeinheit, weitergeleitet, um dort verarbeitet zu werden.

Die Analyseeinheit ist mit einer selbst entwickelten Software ausgestattet, die die Pupillendaten des Kontroll-Computers aufnimmt und durch verschiedene Berechnungen von Fehlern und „Artefakten“ bereinigt. Der Analyseeinheit werden zudem von einem Gerät zur Lichtmessung, einem Luxmeter, die Daten über die Umgebungshelligkeit geliefert und unter Verwendung einer speziellen Funktion zur Bereinigung der Pupillendaten um die Lichteffekte genutzt. Die verbleibenden Werte der Pupillenbewegung, nämlich die Veränderung der Pupillengröße, dienen als Korrelat der physischen Aktivierung des Nutzers. Hieraus kann der Medienforscher Kerkau die mentale bzw. emotionale Beanspruchung der Versuchspersonen ableiten. Mit der Online-Verarbeitung der Daten kann der mentale Zustand des Nutzers in Echtzeit erfasst werden.

Die Technik ist vielseitig einsetzbar: von der Werbung über den Krimifilm bis hin zur Marktforschung. Das „pupillometrische Verfahren zum Ermitteln des physiologischen Aktivierungspotenzials“, das so genannte Bio-Feedback-Device, ist beim Deutschen Patent- und Markenamt in München angemeldet worden.

(Freie Universität Berlin, 09.08.2004 – NPO)

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