Von Bakterien bis hin zum Menschen müssen sich Organismen teilweise in Umgebungen behaupten, die zu wenig oder zuviel Sauerstoff enthalten. Doch bis heute wissen Forscher kaum etwas darüber, wie Tiere Sauerstoffkonzentrationen in ihrer Umwelt wahrnehmen. Jetzt haben amerikanische Forscher an Fadenwürmern einen möglichen Mechanismus entdeckt, wie sie in der neuen Ausgabe der Zeitschrift Nature berichten.
{1l}
In zu hohen Konzentrationen wirkt Sauerstoff giftig und zersetzend, da er in den Zellen aggressive Substanzen freisetzt. Fadenwürmer, Nematoden, meiden daher Orte mit hohen Sauerstoffgehalten – aber wie? Eigentlich waren Michael Marletta, Professor für Anatomie und Physiologie der Universität von Kalifornien in Berkeley und sein Forscherteam, auf der Suche nach ganz anderen Antworten. Sie erforschten die Mechanismen des Enzyms Guanylat Cylclase, dass im Körper als Stickstoffmonoxid-Sensor dient. Stickstoffmonoxid (NO) bindet an dieses Enzym und löst dadurch eine Kaskade von chemischen Reaktionen aus, die unter anderem die Muskelentspannung, die Weitung der Blutgefäße und die Senkung des Blutdrucks veranlassen.
Als die Forscher die Struktur des Enzyms genauer analysierten, entdeckten sie, dass die NO-Bindungsstelle aus einem Häm-Molekül bestand, einer Verbindung, die auch bei der Bindung und dem Transport von Sauerstoff im Blut eine entscheidende Rolle spielt. Sollte dieser Sensor auch für die Sauerstoffkonzentrationsmessung zuständig sein? Auf der Suche nach weiteren Tiergruppe mit diesem Enzym wurden die Wissenschaftler beim Nematoden Caenorhabditis elegans fündig.
Um herauszufinden, welche Funktion das Enzym bei dem Fadenwurm hat, testeten die Forscher die Reaktion der Würmer auf unterschiedliche Sauerstoffkonzentrationen in einer Petrischale. Es zeigte sich, dass die Würmer normalerweise gezielt Regionen mit hohen Sauerstoffkonzentrationen mieden. Tiere, bei denen das in drei Neuronen der Nase vorhandene Enzym mittels einer Genmanipulation ausgeschaltet war, reagierten jedoch nicht.
Cori Bargmann, Forscher am Projekt, spekuliert, dass dieses Sauerstoff-Sinnessystem auch bei Tierarten vorhanden sein könnte, die niedrige Sauerstoffkonzentrationen meiden, wie beispielsweise Fischen. Doch auch Menschen könnten solche Detektoren aufweisen, die unter anderem Hyperventilation bei körperlicher Anstrengung oder in sauerstoffarmen Umgebungen auslösen.
„Wir sind die ganze Zeit von einer 21 prozentigen Sauerstoffatmosphäre umgeben und unser Blutstrom und Lungen regulieren die maximale Sauerstoffsättigung in unseren Geweben“, erklärt Bargmann. „Daher sehen wir eine optimale Sauerstoffversorgung als selbstverständlich an. Aber die meisten anderen Tiere auf diesem Planeten leben in Wasser oder dem Boden, wie beispielsweise C. elegans. Und weil Sauerstoff sich in diesen Umgebungen nur langsam verteilt, müssen sie Wege entwickelt haben, um Sauerstoff und Veränderungen im Sauerstoffgehalt zu spüren.“
„Es ist überraschend“, ergänzt er. „225 Jahre nachdem Lavoisier den Sauerstoff entdeckt hat, sind wir noch immer dabei, langsam zu entdecken, wie Organismen diese Substanz wahrnehmen und nutzen. Und wir hätten nicht geglaubt, dass ausgerechnet Stickstoffmonoxid uns näher an das Verstehen dieser fundamentalen Mechanismen bringen würde.“
(University Of California, Berkeley, 13.07.2004 – NPO)