Der Vogelgrippevirus mutiert und wird auch für Säugetiere immer gefährlicher. Genetische Analysen zeigen, dass der Virus im Jahr 2001 durch Mutation den entscheidenden Sprung über die Tiergruppenschranke hinweg vollzog und dabei gleichzeitig seine Aggressivität zunahm. Diese Entdeckung verstärkt die Angst vor einer Epidemie auch unter Menschen. Das berichtet das Wissenschaftsmagazin Nature am Dienstag.
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Die Vogelgrippe kam 1997 in die Schlagzeilen, als der so genannte H5N1-Stamm von Hühnern auf den Menschen übertragen wurde und sechs Personen in Hongkong tötete. Innerhalb von drei Tagen wurde die gesamte Hühnerpopulation des Landes geschlachtet und so wurde der Ausbruch kontrolliert.
Seitdem neue Stämme des Virus aufkamen, starben weitere 14 Menschen. Bis jetzt hat es kein Stamm geschafft, von Mensch zu Mensch zu springen. Doch wenn ein noch bösartigerer Virus entsteht, könnte dieser einen weit gehenden Ausbruch der Krankheit auslösen, wovon Millionen Menschen betroffen wären. Genetische Studien und Tierversuche zeigen, dass die Bedrohung von Säugetieren durch den Virus zunimmt. Ein umgehendes Eingreifen ist notwendig, um die Übertragung des Virus einzudämmen, sagt Hualan Chen vom Harbin Veterinärforschungs-Institut in China.
Schwererer Krankheitsverlauf ab 2001
Chen und seine Kollegen haben 21 H5N1 Vogelgrippenviren-Proben untersucht, die sie zwischen 1999 und 2002 scheinbar gesunden Tieren entnahmen. Die Forscher impften Gruppen von Hühnern, Mäusen und Enten mit den Virusproben der verschiedenen Jahre und warteten auf Krankheitssymptome. Wie erwartet, waren die Enten immun, die Hühner wurden krank. Aber auch die Mäuse wurden krank, verloren an Gewicht und konnten ihre Extremitäten nicht mehr bewegen. Die entscheidende Erkenntnis war jedoch, dass die Schwere der Krankheit von dem Jahr abhängig war, aus dem das Sample stammte. Viren, die 2001 und 2002 isoliert worden waren, machten die Tiere kränker als die früher isolierten.
Diese Erkenntnisse deuten darauf hin, dass der Virus um das Jahr 2001 für Säugetiere infektiös geworden ist. Eine genetische Analyse derselben Samples macht deutlich, dass sich die DNA des Virus zu dieser Zeit änderte, und die kumulierten Mutationen haben wohl zu der gesteigerten Bösartigkeit beigetragen. Nun befürchten die Forscher, dass ein Virus, der Mäuse infizieren kann, auch für Menschen gefährlich werden könnte. „Die Krankheit könnte jederzeit wieder auferstehen“, warnt die Virologin Marion Koopmans vom Nationalen Institut für Öffentliche Gesundheit und Umwelt in Bilthoven, Niederlande.
Wachsamkeit gefordert
Die Erkenntnisse unterstreichen die Notwendigkeit einer verbesserten Überwachung, um sicherzustellen, dass zukünftige Ausbrüche sofort gedrosselt werden. Geflügel, das zu Hause gehalten wird, kann relativ leicht selektiv geschlachtet werden, im Gegensatz zu Wildtieren. „Es ist unmöglich, das natürliche Reservoir auszurotten“, betont Koopmans. „Daher müssen wir lernen, damit zu leben“.
Vögel sind aber wahrscheinlich nicht die einzigen Bösewichte in dieser Geschichte. Chen glaubt, dass auch Schweine eine Rolle spielen könnten. In Asien werden Hühner und Schweine oft in enger Nachbarschaft gehalten. Auf diese Weise könnte sich der Virus zwischen den beiden Spezies fortgepflanzt haben, wobei er Mutationen entwickelte und für Säugetiere gefährlicher wurde. Menschen könnten die Krankheit vom Schwein bekommen haben.
(PTE, 30.06.2004 – NPO)