Astronomie

STARDUST: Evolution des Kosmos anders als gedacht

Staub belegt Prädominanz organischer Materie

Neue Messergebnisse beim Sternen- und Kometen-Staub stellen die heutigen Vorstellungen über die Evolution des Kosmos – vom Sternenstaub hin zur Entstehung der kompakten kleinen Körper im Sonnensystem – in Frage.

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CIDA, der „Cometary and Interstellar Dust Analyzer“ an Bord der Forschungssonde STARDUST, ist ein Flugzeit-Massenspektrometer, das Ionen analysiert, die beim Auftreffen kosmischer Staubteilchen auf das Instrument entstehen. Die kosmischen Partikel stammen von zwei Quellen, vom Kometen „Wild 2“, an dem STARDUST sehr nah vorbeigeflogen ist, und von interstellaren Staubströmen, die aus den Tiefen des Alls kommend unser Sonnensystem mit großer Geschwindigkeit durchqueren.

Die Messergebnisse zeigen nun, dass der Sternenstaub kondensierte Chinon-Derivate enthält, während die Kometenmaterie durch kondensierte Stickstoff-Heterozyklen gekennzeichnet ist. Auf Grund dieser Forschungsergebnisse müssen heutige Vorstellungen über die Entstehung der Planeten und Kometen sowie über die Entstehung des Lebens auf der Erde überdacht werden, da die Kometenmaterie letztlich aus Sternenstaub entstanden ist. Ihre Entwicklungsgeschichte ist nun empirisch besser zugänglich, und auf die Bedeutung ursprünglicher katalytischer Prozesse bei der Entstehung des Lebens fällt neues Licht.

Samen des Lebens

Vor etwa 5 Milliarden Jahren hat sich unser Planetensystem durch Zusammenballung einer dichten interstellaren Staubwolke gebildet. Kometen sind die wohl materiell am wenigsten veränderten Zeugen dieses Vorganges. Seit etwa 50 Millionen Jahren scheint unser Planetensystem von einer diffusen interstellaren Staubwolke durcheilt zu werden. Seit etwa 5.000 Jahren kennen wir schriftliche Überlieferungen der Sumerer, die den Staub der Sterne als Samen des Lebens ansahen, und vor fünf Jahren startete die NASA-Raumsonde „STARDUST“, um Spekulationen über unsere und die Herkunft der Welt um uns durch harte experimentelle Fakten aus dem „Sternenstaub“ zu ersetzen.

Ein wesentliches Ziel der an STARDUST beteiligten US-amerikanischen Forschungsgruppen war und ist es, interstellaren Staub sowie Partikel aus einem Kometenschweif („Wild 2“) einzufangen und zur chemischen und morphologischen Analyse zur Erde zu bringen. Dabei ist man sich recht sicher, dass der Staub in beiden Fällen aus je einer mineralischen und einer organischen Komponente besteht. Beim Einfang der sehr schnellen Staubteilchen dürften sich allerdings seine organischen Bestandteile völlig auflösen, da sich ihre hohe kinetische Energie beim Aufprall in Wärme umsetzt. Doch auch die mineralische Komponente ist, was die Silizium-Chemie betrifft, diesbezüglich nicht ganz unproblematisch.

Deshalb beschloss man, bei STARDUST zu versuchen, die chemischen Substanzklassen beider Staubarten direkt im All durch ein so genanntes Staubeinschlags-Massenspektrometer (TOF-MS) zu charakterisieren. Aus unterschiedlichen Gründen konnte damit allerdings nur die organischen Komponenten des interstellaren bzw. des Kometen-Staubes analysiert werden.

Bisherige Vorstellungen über die Evolution des Kosmos in Frage gestellt?

Die jetzt in „Science“ veröffentlichten Messergebnisse beim Sternen- und Kometen-Staub geben Anlass, bisherigen Vorstellungen über die Evolution des Kosmos – vom Sternenstaub hin zur Entstehung der kompakten kleinen Körper im Sonnensystem – zu überdenken. Selbst unsere bisherigen Vorstellungen von den Kometen könnten sich als nicht richtig erweisen – und der Ursprung von zwei der drei Stammbäume des Lebens auf der Erde (Pro- und Eukaryonten) erscheint in einem neuen Licht. Die Archeae hingegen scheinen eine Sonderrolle zu spielen.

Der organische Teil des Sternenstaubs besteht aus sehr sauerstoffreichen kondensierten Aromaten und Chinoiden. Chemiker sprechen von hydroxylierten, hydratisierten und carboxylierten Chinon-Derivaten. Stickstoff spielt hier nur sehr untergeordnete Rolle. Ein paradigmatischer Grundkörper lässt sich als Di-oxo-phenanthren-ether bezeichnen. Wie eine Arbeitsgruppe der NASA schon vor über fünf Jahren gezeigt hatte, bildet sich genau diese Stoffklasse der Chinon-Derivate in hoher Dosis, wenn man Gemische aus polykondensierten Aromaten (PAK) und Wasser bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt (kosmischer) Strahlung aussetzt. Diese Stoffe sind nicht nur strahlungsstabil sondern auch die natürlichen Endprodukte starker Bestrahlung. Sie kommen in vielen, mindestens aber in drei stabilen Oxidationsstufen vor und eignen sich daher vorzüglich als Redox-Katalysatoren.

Staubmoleküle verlieren Sauerstoff

Ballen sich solche Staubkörner bei der Bildung eines Planetensystems zu größeren Körpern zusammen, steigt deren innerer Druck. Zündet im Zentrum dieser Körper gar eine Kernfusion, erhöht sich auch ihre Temperatur. Unter diesen thermochemischen Umständen verlieren diese Körper recht schnell Wasser, das aber leicht wieder zu Eis kondensieren kann. Unter weiterer (Sonnen-)Strahlung können sogar Kohlenoxide eliminiert werden. Auf diese Weise verlieren die organischen Staubmoleküle fast ihren gesamten Sauerstoff.

Betrachtet man nun die Analyseergebnisse beim Kometen „Wild-2“, so finden sich dort typische Stickstoff-haltige hetero-alizyklische und kondensierte Aromaten. Sauerstoff ist hingegen in der festen Phase von Kometenstaub kaum zu finden. Offenbar entschwindet dieser fast vollständig in den Gas-Schweif des Kometen, vornehmlich als Wasser, aber auch als Kohlenoxide. Hingegen spielt Stickstoff bei der massenspektrometrischen Analyse des Kometenstaubes eine zentrale Rolle, da er sich offenbar vom Kometen nicht entfernen kann. Dieser Befund ist jedoch nicht sonderlich neu, denn dank der Arbeiten von Kirchhoff und Bunsen entdeckte man schon 1910 im Kometen p/Halley die Blausäure (HCN), damals „Preußensäure“ genannt. Eines seiner Pentamere ist das Adenin, die wichtigste Nucleobase. Auch andere Nucleobasen zeigen eine auffällige Verwandtschaft zu der genannten kometaren Substanzklasse – N-heterozyklische (außer beim Pyrimidin) kondensierte Ringsysteme.

„PQQ-artige“ Co-Enzyme

Sozusagen „auf halbem Wege“ zwischen dem interstellaren und dem kometaren Staub stehen die bei Biochemikern berühmten „PQQ-artigen“ Co-Enzyme. „PQQ“ (engl.) ist Pyrrolo-chinolin-chinon. Im Sternenstaub sind solche Moleküle offenbar reichlich vorhanden. PQQ ähnelt frappierend dem paradigmatischen Grundkörper im Sternenstaub: Die zwei Oxo-Guppen sind gleich angeordnet, nur dass der eine Außenring des Phenanthrens hier ein Pyridinring (aza-Benzol) und der andere Außenring ein Pyrrol ist. Die Ether-Kupplung ist modifiziert und der gesamte Körper dreifach carboxyliert.

Diese Redox-Co-Enzyme gelten evolutionstheoretisch als rätselhaft, da sie einerseits in die elementarsten Synthesewege von RNS und Peptiden, außer bei den Archeae, eingreifen. Andererseits könnte sich ohne sie gar kein genetischer Code bilden, mit dessen Hilfe sie dann selbst zuallererst erzeugt würden. Noch heute fallen jährlich circa 4.000 Tonnen eines solchen Materials „buchstäblich vom Himmel auf die Erde“. Könnte es nicht sein, so fragen sich deshalb die Wissenschaftler, dass diese Staubkörner vor 3,6 Mrd. Jahren die chemische Evolution auf der Erde derart angetrieben haben, dass sich überhaupt ein genetischer Code – und damit auch die Grundlage für ihre eigene Reproduktion – ausbilden konnte?

(idw – Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften, 21.06.2004 – DLO)

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