Zoologie

Fledermäuse „sehen“ 3-D

Echopeilung auch komplexer Strukturen nachgewiesen

Echoortende Fledermäuse beschallen Objekte in ihrer Umgebung mit Ultraschalllauten und werten die von den Objektoberflächen reflektierten Echos aus. Wie sie es auch bei großen, komplexen Objekten schaffen, sich ein Bild zu machen, haben jetzt Wissenschaftler der Universität München herausgefunden.

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Fledermäuse erhalten mithilfe ihres Echolots in völliger Dunkelheit nicht nur Informationen über die Position eines Objekts im Raum, sondern auch über dessen dreidimensionale Struktur. Bislang war allerdings unbekannt, ob Fledermäuse auch chaotische Echos von großen, komplexen Objekten – etwa Bäume und andere Vegetation – sinnvoll verarbeiten können.

Das Team um Privatdozent Lutz Wiegrebe von der Abteilung Neurobiologie der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) konnte jetzt zeigen, dass Fledermäuse solche chaotischen Echos anhand eines statistischen Parameters unterscheiden und in Klassen einteilen. „Diese Fähigkeit gibt den Fledermäusen die Möglichkeit, große, komplexe Objekte wie Bäume in Kategorien wie „Laubbaum“ und „Nadelbaum“ einzuordnen“, berichtet Wiegrebe.

Bild aus vielen Einzelreflexionen

Das Echo, durch das ein Objekt beschrieben wird, besteht aus den Einzelreflexionen des Echoortungslautes von den Oberflächen des Objekts. Beschallt eine Fledermaus ein kleines Objekt mit wenigen Oberflächen, empfängt sie nur wenige Einzelreflexionen, die dem Echo ein geordnetes, charakteristisches Zeit- und Frequenzmuster aufprägen. Anhand dieser Muster können einfache Objekte unterschieden und klassifiziert werden. Anders ist es bei großen, komplexen Objekten. Bäume etwa verfügen mit ihren Blättern über unzählige Reflektoren, die noch dazu chaotisch angeordnet sind. Das Echo setzt sich also aus einem Chaos von Tausenden von Einzelreflektionen zusammen – eine von jedem Blatt.

Statistische Eigenschaften als Hilfsmittel

Es ist leicht vorstellbar, dass ein solches Echo keine geordneten Zeit- oder Frequenzmuster enthält, die eine zuverlässige Erkennung erlauben würden. Zudem ist es höchst unwahrscheinlich, dass eine Fledermaus vom selben Baum zweimal dasselbe Echo empfängt, da die Blätter ihre Position und Ausrichtung zum Beispiel durch Windbewegung ständig verändern. Trotzdem können die Tiere diesem akustischen Chaos Herr werden und dann die Bäume und Sträucher als Orientierungshilfe verwenden. Dabei können statistische Eigenschaften des Echos helfen.

Ein Beispiel dafür ist seine „Rauigkeit“. Die Nadeln eines Nadelbaums etwa wirken wie sehr viele kleine, dicht gepackte Reflektoren. Das Echo setzt sich also aus sehr vielen leisen Einzelreflexionen mit geringem zeitlichen Abstand zusammen: Es hört sich „glatt“ an. Ein Laubbaum dagegen präsentiert weniger und größere Reflektoren, die nicht so dicht gepackt sind. Das Echo besteht aus weniger und lauteren Einzelreflexionen, es hört sich „rau“ an. Diese statistische Eigenschaft ist charakteristisch für bestimmte Vegetationstypen und ließe sich zur Unterscheidung und Klassifikation heranziehen.

Phantomziele erfolgreich identifziert

Die Wissenschaftler untersuchten, ob Fledermäuse der Art Phyllostomus discolor in der Lage sind, diese statistische Echoeigenschaft auszuwerten. Zunächst erlernten die Fledermäuse, Echos von zwei bestimmten Phantomzielen mit unterschiedlicher Rauigkeit zu unterscheiden. „Wir haben Phantomziele aus bis zu 4000 Einzelreflexionen zusammengestellt, die die akustischen Eigenschaften verschiedener Vegetationstypen repräsentierten“, berichtet Wiegrebe.

Diese Phantomziele wurden dann den Tieren in einem Rückspielexperiment präsentiert: Von jedem ausgesandten Ortungslaut der Fledermäuse wurde ein computergeneriertes Echo von einem der Phantomziele zurückgespielt. „Dabei hat sich gezeigt, dass die Tiere spontan in der Lage waren, chaotische Echos von unbekannten Phantomzielen anhand ihrer Rauigkeit zu unterscheiden und in Klassen einzuteilen“, so Wiegrebe.

Die Fähigkeit, chaotische Echos anhand eines statistischen Parameters zu analysieren, gibt den Fledermäusen die Möglichkeit, große, komplexe Objekte wie Bäume zu unterscheiden und in Klassen wie „Laubbaum“ und „Nadelbaum“ einzuordnen, ohne sich individuelle Zeit- oder Frequenzmuster merken zu müssen. Somit bildet diese statistische Echoanalyse die entscheidende Grundlage für die Nutzung von Vegetation als Landmarken für eine echoortungsgestützte Orientierung.

(Ludwig-Maximilians-Universität München, 01.04.2004 – NPO)

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