Nobody is perfect! Das gilt nicht nur für Menschen, sondern auch für viele Materialien. So bilden etwa Perowskite – sie spielen in der modernen Elektronik eine wichtige Rolle – in der Praxis niemals die perfekt geordneten Kristalle, die man für ihre Anwendung benötigt. Vielmehr „schleichen“ sich stets verschiedenste Defekte ein, die wichtige Eigenschaften des Materials beeinflussen. In den Perowskiten weicht dabei insbesondere der Sauerstoffgehalt lokal von der idealen Zusammensetzung ab. Mit einem speziellen hochauflösenden Elektronenmikroskop können Wissenschaftler des Forschungszentrums Jülich diesen Sauerstoffgehalt jetzt erstmals mit atomarer Auflösung messen und so Defekte quantitativ analysieren.
Damit wird es in Zukunft möglich sein, nicht nur die Eigenschaften dieser Defekte zu verstehen, sondern sie auch durch geeignete Fabrikationsmethoden weitgehend zu vermeiden. Dies eröffnet den Weg zu neuen elektronischen Speichern und noch kleineren mikroelektronischen Bauelementen. Die Ergebnisse der Jülicher Wissenschaftler sind in der neuen Ausgabe der renommierten Zeitschrift „Science“ veröffentlicht.
Basis für Supraleiter
Keramische Materialien auf der Basis von Oxiden mit Perowskitstruktur – zu ihnen gehören Barium- oder Strontiumtitanat – spielen eine große Rolle in der modernen Elektronik. Als Chip in Telefon- oder Geldkarten finden sie heute bereits breite Anwendung. Perowskite sind auch das Basismaterial für Hochtemperatursupraleiter und werden zukünftig zunehmend in der Mikroelektronik benötigt. Dort werden sie in dünnsten Schichten von nur einigen zehn bis einigen hundert Atomlagen eingesetzt. Eines der wichtigsten Probleme auf dem Weg dorthin ist die korrekte Einstellung des Sauerstoffgehaltes dieser Oxide, der dann über die große Zahl von Prozessschritten bei der Bauelementherstellung beibehalten werden muss. Dabei sind die Anforderungen hoch: Schon das Fehlen weniger Sauerstoffatome in den elektrisch aktiven Zonen der dünnen Schichten kann deren Funktion deutlich beeinträchtigen.
Messen mit atomarer Auflösung
„Wie viel ‚wenige‘ Sauerstoffatome sind, können wir jetzt erstmals messen“, erläutert Prof. Knut Urban vom Jülicher Institut für Festkörperforschung (IFF). „Dabei registrieren wir mit unserem Transmissions-Elektronenmikroskop nicht etwa den Sauerstoff-Durchschnittsgehalt der gesamten Probe, wie man das bislang getan hat. Wir können Bereiche mit einem Durchmesser in der Größenordnung eines Atoms anschauen – wir messen also mit atomarer Auflösung.“ Als Beispiel haben die Wissenschaftler eine häufig vorkommende Art von Defekt in einem dünnen Film aus Bariumtitanat (BaTiO3) untersucht. Dabei liegt in der dünnen Probe nicht nur eine Kristallorientierung vor, sondern mehrere. In eine vorherrschende Orientierung sind winzige, nanometerkleine Bereiche mit zwei weiteren Orientierungen eingebettet, die an so genannten Korngrenzen aufeinandertreffen. Da die untersuchte Probe lediglich drei Nanometer, also drei millionstel Millimeter, dünn ist, liegen auf einem Punkt nur etwa zehn Plätze für Sauerstoffatome säulenartig übereinander.