GEOTECHNOLOGIEN

GEOTECHNOLOGIEN im Focus

Vorstoß in die Tiefe - unterirdisches Bauen

Moderne Tunnelbohrmaschine © Herrenknecht / GEOTECHNOLOGIEN

Sie durchstoßen Gebirge, unterqueren Flüsse oder Kanäle und verbinden manchmal – wie am „Channel“ – sogar Länder miteinander: Tunnel haben in den letzten Jahren beim Straßenbau und im Schienenverkehr eine immer größere Bedeutung erlangt. In Großstädten wie Frankfurt oder Stuttgart überlegt man jetzt sogar, ganze Bahnhöfe zusammen mit riesigen Einkaufspassagen unter die Erde zu verlegen.

Längst nicht nur beim Verkehr und beim Shopping setzt man heute auf unterirdisches Bauen, auch die Versorgung der Metropolen und Ballungsräume mit Gas, Wasser, Strom oder Telekommunikation ist ohne Röhren im Untergrund undenkbar. Viele der Versorgungs- und Entsorgungsleitungen sind aber in die Jahre gekommen und müssen in naher Zukunft erneuert werden.

Hoch im Kurs steht der unterirdische Raum aber auch noch aus anderen Gründen: als Rohstofflager, zum Lastentransport, zur Energiegewinnung und beim Klimaschutz – Stichwort CO2-Verpressung – könnte er schon bald eine wichtige Rolle für die Zukunft der Menschheit spielen.

Die immer stärkere Nutzung der Welt unter unseren Füßen sorgt aber auch für Probleme. Fehlende Kenntnisse über die Beschaffenheit des Untergrunds gefährden Bauprojekte und verursachen enorme Mehrkosten. Zwar liefern schon heute moderne geowissenschaftliche Erkundungsmethoden wie Luftbildauswertung, Seismik, Tiefbohrung oder Erdtomografie wichtige Informationen über die geologische Situation in der „Unterwelt“. Selbst die besten Hilfsmittel zur Vorauserkundung schützen bisher die Techniker und Ingenieure aber nicht vor unliebsamen Überraschungen während der eigentlichen Bau- und Bohrarbeiten.

Diesem Bereich widmet sich das Forschungs- und Entwicklungsprogramm GEOTECHNOLOGIEN. Geowissenschaftler aus ganz Deutschland werden in diesem vom BMBF und der DFG geförderten Projekt im Schwerpunkt „Erkundung, Nutzung und Schutz des unterirdischen Raumes“ neue innovative Technologien für die Untersuchung und verlässliche Bewertung der Baugrundqualität der unterirdischen Anlagen entwickeln.

Beispiel Verkehrstunnelbau

Viel hat sich bei der Technik verändert, seit Marc Isambard Brunel um 1870 für den Tunnelbau den sogenannten Schildvortrieb entwickelt hat. Eingesetzt wurde dieser zum ersten Mal für „The Tube“, die älteste U-Bahn der Welt in der Londoner City. Die modernen Tunnelbohrmaschinen, beispielsweise für den Bau der vierten Röhre des Elbtunnels, haben einen riesigen Bohrkopfdurchmesser von rund 14 Metern und schaffen einen Vortrieb von bis zu 40 Metern pro Tag.

Underground-geo-monitoring – so lautet eines der wichtigsten Schlagworte, wenn es darum geht solche Projekte in die Realität umzusetzen. Mithilfe von Kernbohrungen, Gesteinsanalysen oder Computersimulationen müssen Geowissenschaftler zunächst den Baugrund so präzise wie möglich analysieren. Erst auf der Basis dieser geologischen Prognose wird dann der genaue Trassenverlauf geplant. Doch das reicht häufig noch nicht aus. Während des unterirdischen Vortriebs stoßen die Bautrupps häufiger auf Schwachstellen oder andere Unregelmäßigkeiten im Gestein, die mit den bekannten Mitteln nicht vorhersehbar waren. Die Bauarbeiten müssen dann – zum Teil für Tage oder Wochen – unterbrochen werden.

Künstliche Wellen durchleuchten den Fels

Ziel von Projekten wie ISIS (Integriertes Seismisches Imaging System) ist es, Tunnelbohrmaschinen mit einer Art seismischen Scanner auszurüsten, der mit künstlich erzeugten Wellen den Fels durchleuchtet und so Störungs- oder Schwächezonen im Gestein während des Vortriebs erkennt. Die ermittelten Daten stehen den beteiligten Geowissenschaftlern und Ingenieuren in „real time“ zur Verfügung und sie können dann sofort auf die von dort ausgehenden Gefahren reagieren.

Eine solche Methode zur Baugrunderkundung erhöht nicht nur die Sicherheit von Mensch, Maschine und Umwelt, sie hilft auch Zeit und Geld zu sparen. Wäre ISIS schon voll einsatzbereit, hätte man vielleicht die Mehrkosten in Höhe von rund einer Milliarde Euro beim Neubau der ICE-Strecken Köln-Rhein/Main und München-Ingolstadt-Nürnberg verhindern können…

(MMCD/GEOTECHNOLOGIEN, 15.03.2004 – DLO)

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