Neurobiologie

Ohne Schlaf keine Erinnerung?

Experiment erhärtet Bedeutung von Schlafphasen für das Gedächtnis

Brauchen wir den Schaf, um uns zu erinnern? Und wenn ja, welchen? Forscher der amerikanischen Duke Universität könnten nun der Antwort auf die biologische Funktion der verschiedenen Schlafphasen ein Stück näher gekommen sein. Sie entdeckten bei schlafenden Ratten „verräterische“ Signalnachklänge in weiten Bereichen des Gehirns, die sie dem Prozess der Gedächtniskonsolidierung zuschreiben.

Nach Ansicht der Forscher beseitigt dies die letzten Zweifel daran, dass der Schlaf dazu dient, neu erworbene Erinnerungen und Sinneseindrücke zu verarbeiten. Gleichzeitig könnten die neuen Ergebnisse die Rolle des Tiefschlafs, auch Slow-Wave-Schlaf genannt, und des REM-Schlafs etablieren. Während der Slow-Wave-Schlaf besonders tief und oft traumlos ist, gilt der REM-Schlaf als der typische „Traumschlaf“.

Unbekanntes im Dunkeln

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In ihren Versuchen platzierten Miguel Nicolelis, Professor für Neurologie und Leiter des Duke Zentrums für Neurotechnologie und seine Kollegen jeweils 100 winzigste Elektroden in vier Hirnregionen von Ratten. Darunter dem Hippocampus, dem eine Funktion bei der Speicherung von Erinnerungen zugeschrieben wird, und Bereiche des Vorderhirns, die für nagertypische Verhaltensweisen zuständig sind.

Die Ratten wurden als nächstes mit vier unbekannten Objekten konfrontiert, einem Golfball auf einer Feder, einer Bürste, einem Holzstäbchen mit Nadeln und einer Tube mit Süßigkeiten. Da das Ganze im Dunkeln stattfand, mussten die Tiere sich in erster Linie auf ihren Tastsinn und ihre Schurrhaare verlassen. Die Forscher zeichneten während der einige Tage dauernden Untersuchung die Hirnsignale der Ratten vor, während und nach der Erkundung der Gegenstände und zu unterschiedlichen Zeiten ihres Schlaf-Wachzyklus auf.

„Nachhall“ im Gehirn

Die Analyse der Gehirnströme enthüllte einen deutlichen „Nachhall“ der Aktivität in allen beobachteten Gehirnbereichen bis zu 48 Stunden nach der Konfrontation mit den neuen Gegenständen. Nicolelis erklärt: „Wir stellten fest, dass das Gehirn in gewohnter Umgebung sich nicht „festfrisst“ sondern unterschiedliche Aktivitätsmuster sich abwechseln. Wenn dagegen das Tier eine neue Umgebung erkundet, löst diese Neuheit im Gehirn ein bestimmtes Muster aus, dass in den untersuchten Bereichen anhält. Dies war im Tiefschlaf wesentlich deutlicher ausgeprägt als im REM-Schlaf.

Aufgabenteilung der Schlafphasen

„Auf der Basis dieser und früherer Ergebnisse schlagen wir vor, dass die beiden Schafphasen eine jeweils eigene, unterschiedliche Rolle für die Gedächtnisverarbeitung spielen“, erklärt Nicolelis. „Perioden des Tiefschlafs sind sehr lang und produzieren ein Wiederaufrufen und möglicherweise eine Verstärkung der Erinnerungsspuren im Gehirn. Die darauffolgenden Episoden des REM-Schlaf, die eher kurz sind, lösen die Expression von Genen aus, die die im Tiefschlaf verarbeiteten Erinnerungen endgültig speichern.“

Gehirn als Ganzheit

Im Prinzip liefert dieses Modell den Hintergrund für die Untersuchungen von Schlafforschern wie Robert Stickgold und seinen Kollegen von der Harvard Universität, die zeigten, dass sowohl Tiefschlaf als auch REM-Schlaf für das Gedächtnis gebraucht werden. Die neuen Experimente der Duke-Forscher konnten erstmals die Gehirnaktivität in mehreren Hirnarealen gleichzeitig analysieren und damit das Zusammenwirken verschiedener Funktionszentren nachvollziehen.

„Das Gehirn kann nicht als ein bloßes Mosaik von unabhängigen Strukturen gesehen werden, dieses Modell hat sich überholt“, erklärt Nicolelis. „Unsere Studie ist eine der ersten, die zeigt, dass das Gehirn in der Tat als Ganzes betrachtet werden muss. Obwohl die verschiedenen Aspekte der Gedächtnisverarbeitung und -speicherung in unterschiedlichen Hirnbereichen stattfinden, nimmt das gesamte Gehirn an diesem Prozess teil.“

Als nächstes wollen die Forscher Experimente durchführen, in denen sie noch mehr Hirnareale parallel über einen längeren Zeitraum überwachen. Um die genetische Komponente zu untersuchen, planen sie zudem, bei einigen Versuchstieren gezielt diejenigen Gene auszuschalten, die nach heutiger Kenntnis für die Gedächtniskonsolidierung wichtig sind.

(DUke Universität, 20.01.2004 – NPO)

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