Als die Besatzung der Essex im Jahre 1819 im Pazifik durch den berüchtigten Moby Dick Schiffbruch erlitt, verdankten sie ihr Leben einem besonderen Umstand: sie konnten das Meerwasser trinken. In vergangenen Jahrhunderten kannten versierte Seefahrer in den Ozeanen zahllose Stellen, an denen sie ihr Trinkwasser dem Meer direkt entnehmen konnten. Was wie Seemannsgarn klingt, beruht auf der einfachen Tatsache, dass es auch untermeerische Quellen gibt, an denen leichteres Süßwasser aufschwimmt und einfach an der Oberfläche abgeschöpft werden kann. Diese Quellen haben auch heute nichts von ihrer Faszination verloren.
In ihren Entstehungsbedingungen und in der chemischen Zusammensetzung der austretenden Wässer sind die cold seeps durchaus unterschiedlich. Süßwasser tritt hauptsächlich in der Nähe der Kontinente aus, wo Grundwasserleiter durch einen unterseeischen Hang angeschnitten sind. Aber auch im Mündungsbereich eines Flussdeltas, wie dem Niger oder dem Mississippi, sind solche Quellen zu finden.
Wo Wasser im Meer austritt
Die Sedimente der Ozeane und Klüfte in der darunter liegenden Erdkruste bergen außerdem riesige Wassermengen. Fast zwei Millionen Kubikkilometer Wasser vermuten Experten. Das ist ein Mehrfaches des Schwarzen Meeres, der Ostsee und des Mittelmeeres zusammen-genommen. Mit einiger Berechtigung könnte man also von einem "Ozean unter dem Meeresboden" sprechen. Bei dem langen engen Kontakt mit den Sedimenten und der Kruste verändern sich diese Wässer chemisch. Auch mineralogische Neubildungen entstehen dabei.
Diese Wässer sind durch die tektonische Dynamik unseres Planeten keineswegs permanent eingeschlossen, sondern treten durchaus auch in den Ozean aus. Dies geschieht zum Beispiel an Subduktionszonen (s. Abbildung) wie vor der chilenischen Küste. Durch das Abtauchen der ozeanischen unter die kontinentale Platte, bahnen sich die flüchtigen Bestandteile wie Wasser, aber auch Methan, Schwefel und Halogene ihren Weg nach oben. An Land ist dies Ursache für einen explosiven Vulkanismus. Untermeerisch entwässern die verschluckten Sedimentpakete deutlich langsamer. Die Austrittstellen sind als cold seeps (engl.: sickern), cold vents oder auch kalte Quellen bekannt.
Eine bunte Lebensgemeinschaft
An den Austrittstellen leben zumeist außergewöhnliche Lebensgemeinschaften (s. Abbildung). Das austretende Wasser sowie reduzierte chemische Verbindungen, wie Methan und Schwefelwasserstoff, schaffen ein besonderes Habitat. Organismen, die hier leben, sind zumeist besondere Muscheln, Bartwürmer und Mikroorganismen. Die Muscheln und Bartwürmer leben dabei in Symbiose mit Bakterien. Beherbergt sind diese Bakterien in den Kiemen, oder in bestimmten Bereichen des Darmtraktes. Sie erschließen ihrem Wirt durch die Oxidation von Methan oder Schwefelwasserstoff Energie, die der Wirtsorganismus zum Aufbau von organischen Verbindungen benötigt.
Ähnliche Prozesse geschehen auch durch Mikroorganismen im Sediment des Meeresbodens. Unter anaeroben Bedingungen wird auch hier Methan oxidiert – ein Vorgang, der in der Vergangenheit für unmöglich gehalten wurde und erst seit relativ kurzer Zeit nachgewiesen ist. Die anaerobe Methanoxidation wiederum löst eine Reihe anderer Reaktionen aus, an deren Ende die Fällung von Carbonaten bzw. Kalk steht. Die Lebensgemeinschaften und biogeochemischen Prozesse der cold seeps sind damit für das Verständnis der globalen Kohlenstoffbilanz bedeutsam. Entdecken Forscher eine solche Lebensgemeinschaft am Meeresgrund können sie umgekehrt auch auf Gegenwart einer kalten Quelle schließen.
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Weiterführende Links:
Department Marine Umweltgeologie am GEOMAR
(E. Suess und P. Linke/GEOMAR Forschungszentrum, 08.12.2003 – Dr. Nicole Schmidt / GFZ Potsdam)