Gerhard Jentzsch ist neuer Präsident der Deutschen Geophysikalischen Gesellschaft (DGG) und Professor für Angewandte Geophysik am Institut für Geowissenschaften der Friedrich-Schiller-Universität Jena.
Sein Interesse gilt der Deformation der Erdoberfläche – sei es durch seismische Wellen, durch die Kräfte der Erdgezeiten, Auflasten der Meeresgezeiten oder durch Vulkanismus. Als Gerhard Jentzsch vor etwa sieben Jahren die Möglichkeit erhielt, mit der Professur für Angewandte Geophysik in Jena auch die Leitung des geophysikalischen Observatoriums Moxa nahe Saalfeld in Thüringen zu übernehmen, bekam er das Messwerkzeug dazu. Mit der experimentellen Ausstattung kann er quasi ein Ohr an die Erde legen, um ihren Bewegungen im Untergrund zu lauschen. Ein alter Wunschtraum des Geophysikers war damit in Erfüllung gegangen. In Moxa werden seit 1964 mit Seismometern die Erdschwingungen gemessen. Jentzsch hat das Observatorium seither von einer seismischen Station zu einem modernen Breitbandobservatorium ausgebaut und verfeinerte damit – um bei dem Bild zu bleiben – das Gehör um ein Vielfaches.
So verfügt das Observatorium Moxa seit 1998 über ein Supraleitendes Gravimeter. Mit diesem Gerät lassen sich Bewegungen der Lüfthülle bis hin zu Bewegungen des Erdkerns erfassen. Störende meteorologische Einflüsse – wie Luftdruck oder Windgeschwindigkeit – auf die Schweremessungen können die Wissenschaftler untersuchen und in den Berechnungen korrigieren. Im Verbund des Global Geodynamics Project GGP wird mit neunzehn weiteren Observatorien auf diese Weise weltweit die Dynamik der Erde untersucht. Eine Neuentwicklung wird diese Woche vorgestellt: die Geowissenschaftler in Jentzschs Team haben mit der Ilmenauer Firma SIOS ein laserinterferometrisches Breitbandseismometer entwickelt. Novum dieses Geräts, ist die Möglichkeit die Bewegung der Masse eines Seismometers mit einer extrem hohen Auflösung und Dynamik wie auch über einen sehr breiten Frequenzbereich aufzuzeichnen.
Doch sind die geophysikalischen Arbeiten nicht nur von akademischem Interesse. Erdschwingungen und Deformationsvorgänge in der Erdkruste betreffen letztlich Fragen nach der Stabilität unseres Untergrundes. Ob für die ICE-Trasse, die Überwachung des Kernwaffenteststoppabkommens, die Altlasterkundung oder die Stabilität von Erdölfeldern, in jedem Falle ist geophysikalisches Know-how gefragt.
"Geophysik ist eine Disziplin, die vielen Menschen nicht geläufig ist. Dennoch kommen wir ohne sie nicht aus", meint Gerhard Jentzsch. Der Bedeutung seines Faches zu mehr Bekanntheit zu verhelfen, hat er sich daher für seine Amtszeit als Präsident der Deutschen Geophysikalischen Gesellschaft zum Ziel gesetzt. Und mehr als das: der wissenschaftlichen Breite Jentzschs ist es wohl zuzuschreiben, dass er sich auch einer stärkeren Vernetzung mit den anderen geowissenschaftlichen Disziplinen verpflichtet fühlt.
Gerhard Jentzsch studierte Physik und Geophysik in Clausthal und promovierte 1976 an der TU Clausthal. 1977 wechselt er an das Institut für Geophysikalische Wissenschaften der FU Berlin und habilitierte sich 1985 im Fach Geophysik. Nach einer Zwischenstation an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn, folgte er 1990 dem Ruf zum Professor für Allgemeine Geophysik am Institut für Geophysik der TU Clausthal. Seit 1996 ist er Professor für Angewandte Geophysik am Institut für Geowissenschaften der Friedrich-Schiller-Universität Jena.
Weiterführende Links:
Deutsche Geophysikalische Gesellschaft
Seimsological Central Observatory
Global Geodynamics Project GGP
Institut für Geowissenschaften der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Webseite der Geophysikstudentinnen und -studenten
(GeoUnion, 11.09.2003 – Dr. Nicole Schmidt / GFZ Potsdam)