Meeresforscher lieben Schlamm. Um an ihn heran zu kommen, nehmen Meeresforscher große Mühen auf sich und haben die verschiedensten Geräte entwickelt. Denn Schlamm vom Meeresboden, etwas genauer als Meeressediment bezeichnet, birgt die Geheimnisse der Vergangenheit. Im Laufe von Jahrhunderten, -tausenden und -millionen hat sich am Grund der Ozeane eine dicke Schlammschicht angesammelt. Sie besteht aus den Überresten von kleinen Meereslebewesen und Landpartikeln die als Staub und über Flüsse ins Meer gelangen. All dies ist von der Meeresoberfläche auf den Grund herabgerieselt. Leise, sacht und langsam – wie Schnee. Der englische Ausdruck für diese Partikel lautet daher auch "marine snow" – Meeresschnee. Auf dem Boden lagern sich die Partikel ab und werden von jüngerem "Schnee" bedeckt. So entsteht eine Abfolge, aus der Wissenschaftler viel über die Vergangenheit lernen können.
Einfach aber wirkungsvoll
Doch wie kommen die Meeresforscher jetzt an diese Sedimente heran, die oft mehrere Tausend Meter unter der Wasseroberfläche liegen? Eigentlich ganz einfach. Sie setzten ein so genanntes Schwerelot ein. Dies ist ein langes Stahlrohr, das am oberen Ende mit ein bis zwei Tonnen Blei beschwert ist. Es wird an einem Stahlseil möglichst schnell heruntergelassen. Vorher wird natürlich der Meeresboden untersucht. Trifft es auf den Boden, drückt das Gewicht das Rohr in den meistens weichen Untergrund. In dem Stahlrohr ist ein Plastikrohr, der so genannte Liner, der sich mit Schlamm füllt. Jetzt wird das Seil langsam wieder eingeholt. Eine Vorrichtung am Ende des Schwerelots verhindert, dass das Sediment wieder aus dem Rohr herausrutscht.
Das Gold der Meeresforscher
Wieder an Bord wird der Liner in handliche, meterlange Stücke geschnitten. Diese werden sorgsam beschriftet und geschlachtet. So wird das halbieren der Sedimentkerne bezeichnet. Eine Hälfte wandert ins Archiv, die andere wird zunächst fotografiert, um die Farben des Sediments zu dokumentieren. Diese verändern sich nämlich schnell, wenn das Sediment mit Sauerstoff in Berührung kommt. Unter anderem lassen Hell/Dunkel-Abfolgen auf Kalt- und Warmzeiten schließen, magnetische Untersuchungen zeigen, wie sich das Magnetfeld der Erde veränderte.
Außerdem sieben die Wissenschaftler kleine Proben des Schlamms nach Überresten von Kleinstlebewesen, "dem Gold der Meeresforscher", wie Barbara Donner vom Forschungszentrum Ozeanränder in Bremen es nennt. "Foraminiferen sind Einzeller mit einem Gehäuse aus Kalk. Je nach Umweltbedingungen bauen die Organismen diesen Kalk anders auf", erklärt die Biologin. "Die Überreste dieser Kalkgehäuse verraten uns viel über das vergangene Klima". Daher sind die kleinen weißen Kügelchen bei den Meeresforschern so begehrt.
Bananen im Meer
Das Schwerelot ist übrigens nach einem der ersten Instrumente in der Meeresforschung und Navigation benannt. Als Loten bezeichnet man die Messung der Meerestiefe mit einem an einer Leine befestigten Gewicht. Um sicherzugehen, dass man auch den Meeresboden erreicht hatte, war am Ende ein kurzes Rohr befestigt, dass eine Probe des Meeresbodens mitbrachte. Übrigens: Manchmal trifft das Lot trotz vorheriger Untersuchung auf harten Boden und kann nicht eindringen. Dann verbiegt das Gewicht das bis zu 18 Meter lange Rohr und es wird "eine Banane gefahren", wie es in der Fachsprache heißt.
(DFG-Forschungszentrum Ozeanränder, 08.07.2003 – Kirsten Achenbach / DFG-Forschungszentrum Ozeanränder Bremen (RCOM))