Sie gelten als Parasiten, als „Piraten“, die unsere Zellen entern, für ihre eigenen Zwecke nutzen und letztlich zerstören: die Viren. Viele der großen Seuchen und tödlichsten Krankheiten, ob Pocken, Aids, Influenza oder Ebola wurden und werden von diesen winzigen Lebensformen verursacht. Aber nach neuesten Erkenntnissen sind sie nicht nur Vernichter, sondern vielleicht auch Schöpfer – kreative Triebkräfte der Evolution.
Trotz ihrer Killerqualitäten haben auch Viren eine Achillesferse: Bestehend aus kaum mehr als einer Hülle und ihrem Erbgut, sind sie außerhalb ihrer Wirte kaum lebensfähig. Ein passender Wirt ist für sie daher obligatorisch. Seine Zellmaschinerie erst ermöglicht es ihnen, unzählige Kopien ihrer selbst herstellen zu lassen und damit ihre Verbreitung sicherzustellen. Nach geltenden Vorstellungen beruht unser Verhältnis zu diesen Krankheitserregern daher auf einer Koevolution, einer Art evolutionären „Wettrüsten“. In dessen Verlauf haben einige Viren zwar durch Anpassung und Selektion ihre Tödlichkeit für uns verloren, können uns aber stattdessen länger als Wirte nutzen.
Doch nach Ansicht einiger Virenforscher gibt es noch eine völlig andere Form der Beziehung zwischen Virus und Wirt, wie der bekannte britische Wissenschaftsautor Frank Ryan in seinem neuen Buch „Virolution“ berichtet. Demnach sind die Viren nicht nur in vielen Dingen echte Partner von Tier und Mensch, sondern möglicherweise sogar entscheidende Triebkräfte der Evolution.
Wichtigstes Indiz dafür ist der „Feind“ in uns: Virale Gensequenzen, die in unserem Erbgut mehr Raum einnehmen als unsere eigenen, protein-kodierenden Gene…
Inhalt:
- Das Buch zum Thema
"Virolution" - Partner statt Gegner
Kann es eine echte Symbiose von Wirt und Virus geben? - Viren als Komplizen
Die Sache mit dem Wespenei - Sprung in die Keimbahn
Das Rätsel der Koala-Seuche - Evolution in Echtzeit
Versuch und Irrtum im Wirtsgenom - Blinde Passagiere in unserem Genom
Die Entdeckung viraler Gene und Genfragmente im menschlichen Erbgut - Mehr Virus als Mensch?
Endogene Retroviren als prägende Elemente im Genom - Geheime Helfer
Welche Funktion haben endogene Retroviren in uns? - Freund und Feind zugleich
Nutzen und Schaden durch HERVs in uns - Rätsel um das „MS-Virus“
Die Rolle der HERVs bei Autoimmunerkrankungen
Nadja Podbregar
Stand: 05.11.2010