Stellen Sie sich vor, Sie holen einen Freund vom Bahnhof ab. Der Zug ist gerade eingefahren, die Türen gehen auf und die Reisenden überfluten den Bahnsteig. Sie suchen, beobachten die Menge. Auf einmal entdecken Sie ihren Freund. Er war in einem der letzten Waggons und ist noch relativ weit weg. Sie können sein Gesicht noch lange nicht erkennen. Auch Frisur, Kleidung, Stimme und andere charakteristische Merkmale nicht sehen oder hören. Ihre einzige Informationsquelle ist die Art und Weise, wie sich die Person bewegt. Sie haben damit einen Informationskanal genutzt, der evolutionär alt ist.
Wir erkennen den Bekannten an der Art, wie er sich bewegt. Wir sehen den Bewegungen eines fremden Menschen an, ob es sich um Mann oder Frau, Kind oder Erwachsenen handelt. Bewegungen vermitteln uns einen ersten Eindruck über Emotionen und Persönlichkeitsmerkmale und haben Einfluss darauf, ob wir unser Gegenüber sympathisch oder gar sexuell attraktiv finden.
Irren ist menschlich – und in diesem Fall sogar weiblich. Werden Frauen gefragt, welche Geschlechtsgenossinnen Männer attraktiv finden, unterscheiden sich ihre Antworten eindeutig von denen der Männer. Und das allein aufgrund der Gangart. Männer bevorzugen den „cat walk“, mit dem Models über den Laufsteg schreiten. Frauen machen sich daraus wenig, sie empfinden schwungvoll und vital als attraktiv. Was Bewegungen außerdem über Menschen verraten, wollen Psychologen mit Strichmännchen heraus finden. Diese Untersuchungen können Ärzten bei Diagnose und Therapie von Nervenkrankheiten, Filmproduzenten bei Computeranimationen oder Hirnforschern beim besseren Verständnis der Reizverarbeitung helfen.
Im Labor „BioMotionLab“ der Fakultät für Psychologie an der Ruhr-Universität Bochum untersuchen Forscher in einer breit angelegten Studie, wie unser Gehirn funktioniert, wenn solch komplexen biologischen Bewegungsmuster verarbeitet werden.
Inhalt:
- Facts
Das Wichtigste in Kürze - Vom bewegten Sehen
Der „Augentrick“ - Tanzende Punkte
Erfassung der Bewegung - Das Bewegungspuzzle
Wie der Code entschlüsselt wird - Gehende Klischees
Was Mensch und Tier verbindet - Schwungvoll attraktiv
Wie Männer Frauen wahrnehmen - Gehen mit Gefühl
Ein bewegter Ausblick - Bewegungs-Experiment
"Vorwissen" über Raum, Zeit und Gravitation
RUBIN – Wissenschaftsmagazin der Ruhr-Universität Bochum
Stand: 11.06.2004