Winzig, aber oho: Wissenschaftler stellen eine neuartige Kameralinse vor, die nur einen halben Millimeter groß ist. Sie besitzt eine spezielle Metaoberfläche und kann dadurch optisch mit einer über 500.000-fach größeren herkömmlichen Kamera mithalten. Möglich wurde dies durch die gezielte Kombination der Nanostruktur mit einem eigens dafür entwickelten Bildverarbeitungs-Algorithmus. Die Meta-Linse ist aufgrund ihres Materials gut für die Massenproduktion geeignet, wie das Team im Fachmagazin „Nature Communications“ berichtet.
Optische Metaoberflächen besitzen eine besondere Eigenschaft: Sie können Licht nahezu unbegrenzt manipulieren. Durch sie ist es unter anderem möglich, eine stehende Lichtwelle zu erzeugen, Licht zu beschleunigen oder Hologramme zu erschaffen. Auch Kontaktlinsen gegen eine Rot-Grün-Schwäche sind mit Meta-Strukturen möglich. Möglich wird dies durch eine nanostrukturierte Oberfläche in Form winziger Stäbchen oder Löcher. Wissenschaftler haben auch schon Kameras mit Meta-Linsen entwickelt, diese lieferten allerdings recht unscharfe oder stark verzerrte Bilder.
Fotos auf Profi-Niveau
Doch jetzt haben Forscher um Ethan Tseng von der Princeton University eine Meta-Linsen-Kamera entwickelt, mit der hochauflösende Bilder möglich sind. Ihre Linse ist gerade einmal einen halben Millimeter groß und liefert dennoch Fotos, die mit einer klassischen Objektiv-Kamera mithalten können. Die Wissenschaftler erhoffen sich durch die winzige Kamera neue, kommerzielle Anwendungsbereiche von Meta-Linsen, besonders im Bereich von minimal invasiven Endoskopien und Hirnscans.
Die Linse der Mikro-Kamera hat einen Durchmesser von 500 Mikrometern und trägt auf ihrer Oberfläche circa 1,6 Millionen Stäbchen. Diese bestehen aus Siliziumnitrid und sind rund 100 bis 290 Nanometer dick. Jedes Stäbchen hat eine einzigartige Geometrie und man kann sie als eine Art optische Antenne betrachten. „Es war eine Herausforderung diese Mikrostrukturen so zu designen, dass sie das tun, was wir wollen“, sagt Tseng.
Algorithmus ergänzt Nanostruktur
Die von den Metastrukturen manipulierten Lichtstrahlen werden von einem Sensor erfasst und müssen dann wieder zu einem Bild rekonstruiert werden. Den dafür notwendigen Algorithmus entwickelten die Forscher mithilfe von maschinellem Lernen. Ein Schlüsselelement war dabei die Hand-in-Hand-Entwicklung von Hard- und Software. „Durch die Kombination zu einer Ende-zu-Ende-Entwicklung konnten wir gemeinsam die gesamte Bildverarbeitung optimieren“, so die Forscher. „Das ist auch der Hauptunterschied zu bestehenden Methoden, die die Brennpunkgröße getrennt von der Rekonstruktionsmethode betrachtet haben.“
Um die Qualität der Bilder zu beurteilen, fotografierten die Wissenschaftler verschiedene Motive und verglichen die Resultate mit zwei bereits vorhandenen Modellen auf Basis von Meta-Linsen und einer herkömmlichen Kamera. „Keine der bisher vorgestellten Meta-Optiken bietet eine vergleichbare Kombination aus Bildqualität, niedriger Blendenzahl und großem Sichtfeld“, so der Bericht.
Für die Massenproduktion geeignet
„Darüber hinaus zeigen wir eine Bildqualität, die mit der einer sperrigen, kommerziellen Verbundlinse vergleichbar ist, obwohl unser Designvolumen 550.000-fach geringer ist“, schreiben die Forscher. Die neue Meta-Linse besitzt ihren Angaben zufolge eine Blendenzahl von 2, was selbst für eine herkömmliche Spiegelreflexkamera im qualitativ oberen Bereich ist.
Eine weitere Besonderheit der neu entwickelten Linse ist, dass das verwendete Siliziumnitrid auch von solchen Maschinen verarbeitet werden kann, die beispielsweise Computerchips aus Halbleitern herstellen. Da diese Verfahren schon industriell verbreitet sind, erwarten die Wissenschaftler eine schnelle und kostengünstige Massenproduktion der Meta-Linsen. (Nature Communications; doi: 10.1038/s41467-021-26443-0)
Quelle: Princeton University