Power-to-Liquid-Pilotanlage: Flüssige Kraftstoffe aus regenerativer elektrischer Energie zu gewinnen, ist eine wichtige Komponente für die Energiewende. Die ersten 200 Liter synthetischen Kraftstoff aus Sonnenenergie und dem Kohlenstoffdioxid der Luft über den Weg der Fischer-Tropsch-Synthese hat nun das Projekt SOLETAIR hergestellt, in dem die Ausgründung des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) INERATEC mit finnischen Partnern zusammenarbeitet.
Die mobile, dezentral einsetzbare chemische Pilotanlage produziert aus regenerativem Wasserstoff und Kohlenstoffdioxid Benzin, Diesel und Kerosin und ist so kompakt, dass sie in einen Schiffscontainer passt. „Das Gelingen der Energiewende braucht Innovationen, die durch kontinuierliche Forschung von den Grundlagen bis zur Anwendung entstehen“, unterstreicht Professor Thomas Hirth, Vizepräsident für Innovation und Internationales am KIT. „Der Erfolg von SOLETAIR zeigt, wie wichtig internationale Forschungsnetze sind, die die globalen Herausforderungen angehen und anwendbare Lösungen erarbeiten.“
CO2 aus der Luft
Das Projekt SOLETAIR startete im Jahr 2016. Im Sommer 2017 wurde ein dezentraler Anlagenverbund bestehend aus drei Komponenten aufgebaut. Die vom Technischen Forschungszentrum Finnland (VTT) entwickelte „Direct Air Capture“-Einheit filtert das Kohlenstoffdioxid aus der Luft heraus. Eine an der Lappeenranta University of Technology (LUT) entwickelte Elektrolyseeinheit erzeugt mittels Sonnenstrom den notwendigen Wasserstoff. Kohlenstoffdioxid und Wasserstoff werden dann bei hoher Temperatur in reaktives Synthesegas verwandelt und in einem mikrostrukturierten, chemischen Reaktor in flüssige Treibstoffe umgesetzt.
Der Reaktor als Herzstück des Ganzen wurde am KIT entwickelt und von INERATEC zu einer marktreifen Kompaktanlage ausgebaut. So wird weltweit erstmalig der komplette Prozess von Photovoltaik und Kohlenstoffdioxid aus der Luft bis zur Kraftstoffsynthese abgebildet und beweist die technische Machbarkeit.
Bis zu 80 Liter Treibstoff am Tag
Die Pilotanlage hat eine Produktionskapazität von bis zu 80 Liter Benzin am Tag. In der nun abgeschlossenen ersten Betriebskampagne wurden in mehreren Phasen rund 200 Liter Kraftstoff hergestellt, um verschiedene Fragestellungen rund um den optimalen Syntheseprozess, Wärmenutzungsmöglichkeiten und die Produkteigenschaften zu erforschen. Die kompakte Anlage ist für die dezentrale Produktion konzipiert, passt in einen Schiffcontainer und lässt sich modular erweitern.
Der Anlagenverbund wurde im Juni 2017 feierlich von Jamie Hyneman eingeweiht. Hyneman ist nicht nur Ehrendoktor des Projektpartners LUT und bekannter Moderator der Wissenschaftssendung „MythBusters“. Der Experte für Spezialeffekte ist selber Unternehmer, Innovator und Patentinhaber. Seine Sendung hat zur Popularisierung von Technik und Wissenschaft beigetragen. Der US-Amerikaner entwickelt Sicherheitstechnologien für die Industrie und den öffentlichen Raum. Während der Einweihung der Pilotanlage von SOLETAIR zeigte er effektvoll die verbesserten Verbrennungs- und Zündeigenschaften des erzeugten synthetischen Kraftstoffs im Vergleich zum konventionellen Kraftstoff.
Die INERATEC GmbH ist eine Ausgründung aus dem KIT und entwickelt, baut und vertreibt chemische Kompaktanlagen für verschiedene Gas-to-X und Power-to-X-Anwendungen. Das Start-up wird gefördert vom EXIST-Forschungstransfer des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie.
„Die Energiewende kann nur ein Erfolg werden, wenn wir unser Knowhow zusammenführen und die Kompetenzen der europäischen Industrie im Energiesektor gemeinsam stärken“, betont VTT-Wissenschaftler und SOLETAIR-Projektleiter Pekka Simell. „Innovativen Start-ups wie INERATEC kommt in diesem Zusammenhang eine Schlüsselrolle zu“ ergänzt Professor Roland Dittmeyer, Leiter des Instituts für Mikroverfahrenstechnik am KIT.
Die Power-to-Liquid-Pilotanlage steht seit Sommer 2017 auf dem Campus der LUT und ist an das dortige Solarkraftwerk angeschlossen. Das Projekt SOLETAIR läuft noch bis Mitte 2018 und wird von der Finnischen Finanzierungsagentur für Technik und Innovation (Tekes) mit einer Million Euro gefördert. Informationen, die während des Projektes gesammelt werden, werden für die Kommerzialisierung der Technologie genutzt. Dadurch ergeben sich für Unternehmen neue Geschäftsmodelle, wie etwa hinsichtlich der effizienteren Verwertung von lokalen Überschüssen an erneuerbarem Strom, Wärmenutzungskonzepte, der stofflichen Nutzung von Kohlenstoffdioxid oder der dezentralen Synthese chemischer Energieträger und Zwischenprodukte. Perspektivisch kann das Verfahren einen wichtigen Beitrag zur Verringerung der Kohlenstoffdioxidemissionen im Verkehr leisten.
(Karlsruher Institut für Technologie (KIT), 09.08.2017 – NPO)