Forscher des Fraunhofer-Instituts für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB und der Universität Stuttgart wollen das klimaschädliche Treibhausgas Kohlenstoffdioxid als Rohstoff zur Herstellung von Chemikalien nutzbar machen. Hierzu entwickeln sie einen kombinierten Plasma- und Membranprozess, mit dem CO2 in Sauerstoff und den Chemie-Grundstoff Kohlenmonoxid aufgespalten wird. Möglich wird der Prozess durch die Abtrennung von Sauerstoff mit einer neuen Perowskit-Kapillarmembran: Sie ist CO2-stabil und bei 1000 °C durchlässig für Sauerstoff.
Um rund 1 °C hat sich die globale oberflächennahe Lufttemperatur gegenüber dem Mittel im 20. Jahrhundert bereits erhöht, der Aufwärtstrend hält an. Die Folgen: Das Eis an den Polen schmilzt, Gletscher verschwinden, der Meeresspiegel steigt. Auch in Deutschland häufen sich Hitzeperioden und Trockenheit sowie schwere Gewitter und Starkregen. Eines der maßgeblich für die Erderwärmung verantwortlichen Treibhausgase ist Kohlenstoffdioxid aus der Verbrennung von Erdöl, Kohle und Erdgas.
Diesem wollen Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB und der Universität Stuttgart nun zu Leibe rücken – indem sie das klimaschädliche Gas als Rohstoff für die Herstellung von Chemikalien und chemischen Energiespeichern nutzbar machen. Im Projekt »PiCK – Plasmainduzierte CO2-Konversion zur Speicherung regenerativer Energien«, das im Rahmen der »Kopernikus-Projekte für die Energiewende« vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird, forschen sie seit zwei Jahren an einem neuen Ansatz, der Überschussstrom aus regenerativen Quellen nutzt und Plasma- mit Membrantechnik kombiniert.
Die Idee: Kohlenstoffdioxid wird in einem Plasma, das heißt einem ionisierten Gas mit hochreaktiven Teilchen, gespalten. Dabei entstehen Sauerstoff und Kohlenstoffmonoxid. Kohlenstoffmonoxid ist ein chemischer Grundstoff, der in bestehenden Infrastrukturen mit herkömmlichen chemischen Verfahren zu Basischemikalien und chemischen Energiespeichern, etwa Methanol oder Methan umgesetzt werden kann. Damit Kohlenstoffmonoxid und Sauerstoff nicht wieder zu Kohlenstoffdioxid zurückreagieren, trennt eine neue hitze- und CO2-stabile Membran Sauerstoff ab.
Spaltung von CO2 im Plasma
Für die Umsetzung der Kohlenstoffdioxidspaltung haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Institut für Grenzflächenverfahrenstechnik und Plasmatechnologie IGVP der Universität Stuttgart einen elektrodenlosen Reaktor entwickelt, bei der – angeregt über eine Mikrowelle – mittels starker elektrischer Felder ein Atmosphärendruckplasma erzeugt wird. »Stoßen in diesem Plasma angeregte Elektronen auf CO2-Moleküle, bewirkt dies, dass CO2 in das gewünschte Produkt Kohlenmonoxid CO und Sauerstoff zerfällt«, erläutert IGVP-Wissenschaftler Dr. Andreas Schulz, der das Projekt koordiniert.
Perowskitmembran zur Entfernung von Sauerstoff
Damit CO nicht mit dem im Plasma entstehenden Sauerstoff zu CO2 zurückreagiert, muss Sauerstoff stetig aus dem Reaktionsgleichgewicht entfernt werden. Hierzu hat das Fraunhofer IGB eine neue Keramikmembran entwickelt, die Sauerstoff selektiv abtrennen kann. »Da die Membran zugleich temperatur- und CO2-stabil sein muss, verspinnen wir spezielle keramische Materialien, sogenannte Perowskite, zusammen mit Polymeren zu einer dünnwandigen Kapillare«, erklärt Dr. Thomas Schiestel, Membranexperte und Projektleiter am Fraunhofer IGB. Die resultierende Grünfaser wird bei hohen Temperaturen zu einer dichten keramischen Kapillarmembran gesintert. »Unsere Perowskitmembran ist stabil in einer CO2-Atmosphäre und bei Temperaturen von 800 bis 1000 °C durchlässig für Sauerstoff, nicht aber für Kohlenmonoxid und Kohlendioxid«, so der Fraunhofer-Forscher. Eine solche Membran wurde bisher noch nicht beschrieben.
Erfolgreiche Kohlendioxidspaltung und Sauerstoffabtrennung im Plasma-Membran-Reaktor
Dass die Idee des kombinierten Plasma-Membran-Prozesses funktioniert, konnten die Forscher in dem am IGVP entwickelten Plasmareaktor bereits demonstrieren. Mithilfe einer speziellen Apparatur im Plasmareaktor wird die Kapillarmembran an einer exakt definierten Stelle in der Plasmaflamme justiert. Über die Kontrolle von CO2-Gasfluss und Mikrowellenleistung wird dabei die Temperatur des Plasmas auf Höhe der Membran auf 800 – 1000 °C eingestellt, sodass diese Sauerstoff optimal durchlässt.
Die neue Kapillarmembran zeigte unter diesen Bedingungen sowohl eine sehr gute thermische Stabilität als auch eine sehr gute Sauerstoffdurchlässigkeit: Bei einem Kilowatt Mikrowellenleistung, das entspricht einer Temperatur von etwa 1000 °C, wurden 2,3 Milliliter Sauerstoff pro Minute und Quadratzentimeter Membranfläche abgetrennt. Rund ein Drittel der Mikrowellenenergie wurden bisher in chemische Energie umgewandelt und dabei 22 Prozent des Kohlenstoffdioxids gespalten.
Flexible Leistungsregelung und einfache Skalierbarkeit
Sowohl der Prozess als auch der Plasma-Membran-Reaktor lassen sich einfach skalieren und flexibel regeln, was von großem Vorteil für die technische Umsetzung ist. »Der Betrieb der Anlage kann an die zur Verfügung stehende regenerative Energieressource angepasst werden und schnell auf das aktuelle Energieangebot reagieren«, so Schulz. Der nächste Schritt auf dem Weg zur Demonstration der technischen Machbarkeit ist, die Trennleistung des Plasma-Membran-Reaktors zu erhöhen. »Für ein solches Scale-up erhöhen wir die Anzahl der im Plasma eingebauten Kapillarmembranen«, schildert Schiestel. In Kombination mit einem verbesserten Gasmanagement sollte sich so auch die Energieeffizienz des Prozesses weiter steigern lassen.
Das Verfahren lässt sich überall dort einsetzen, wo CO2 in angereicherter Form entsteht: bei Verbrennungsprozessen in Kraftwerken, in der Zement- und Glasindustrie, aber auch in Brauereien, wo CO2 im Zuge der alkoholischen Gärung als Nebenprodukt anfällt. Die Nutzung von CO2 als Rohstoff kann so helfen, natürliche Ressourcen zu schonen und das Klima zu schützen. Für die Weiterentwicklung in einer zweiten Förderphase und die sich daran anschließende technische Umsetzung suchen die Forscher bereits jetzt interessierte Firmen.
Quelle: Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik (IGB), Stuttgart