Es ist fast wie Zauberei: Prof. Dr. Helmut Grüning hält seine Hand über eine hügelige Sandlandschaft, und plötzlich fließt Wasser die steilen Hänge hinab. Aber nicht real, sondern virtuell. Möglich macht das die „Augmented Reality Sand Box“: Eine Kamera scannt die unterschiedlichen Höhen in dem Sandkasten und überträgt diese Daten an einen Beamer. Der legt eine Farbschicht auf den Sand, passend zur jeweiligen Höhe. Von Blau für Wasserflächen, Grüntönen in der Flachebene über Gelb und Organe bis zu Rot auf den Bergspitzen. Geht der Beamer aus, ist die Box einfach nur eine Kiste, gefüllt mit Sand. Die Anlage ist eine von mehreren Neuanschaffungen in seinem Technikum für Hydraulik und Stadthydrologie auf dem Steinfurter Campus der FH Münster.
„Die Digitalisierung bietet uns jede Menge Möglichkeiten, und das gilt auch für die Lehre“, sagt Grüning. Mit der „Augmented Reality Sand Box“ will er den Oberflächenabfluss modellieren – und Studierenden die Prozesse dahinter auf anschauliche Art näherbringen. Denn wo fließt das Wasser hin, wenn es regnet? „Was da passiert, ist sehr komplex“, sagt Grüning. „Niederschlag versickert im Untergrund oder führt zu Oberflächenabfluss. Dabei fließt das Regenwasser immer zum tiefsten Punkt. Je nachdem, wie viel vom Himmel kommt, sind die Folgen gravierend, etwa beim Starkregen. All das verdeutliche ich meinen Studierenden nicht nur theoretisch, sondern eben auch praktisch.“
Einige Monate hat sein Team an der „Augmented Reality Sand Box“ gearbeitet, den Kasten gebaut, das Ganze programmiert. Jetzt funktioniert sie einwandfrei. Zum Einsatz kommt sie nicht nur in den Laborpraktika am Fachbereich Energie – Gebäude – Umwelt, sondern auch bei Besuchen von Schülerinnen und Schülern. Und sie dürften erst recht neugierig sein, was da in der Box alles passiert: Je nachdem, wie hoch man die Hand hält, regnet es unterschiedlich stark. Und wühlt man in dem Sand herum, gräbt man Täler oder erschafft Berge, verändern sich die Fließwege des Wassers.
Neben der Box sind zwei weitere Anlagen neu im Technikum: ein Wasserwerk im halbtechnischen Maßstab und ein Trinkwasserstrang im Echtmaßstab – eine Leitung, durch die die Häuser versorgt werden. „Ich will die unterirdische Infrastruktur für Studierende sichtbar machen“, sagt Grüning. Deshalb sieht man nicht nur die Straßenkappen, also die ovalen Deckel, die im Asphalt eingelassen sind, sondern auch das, was sich darunter verbirgt: Unterflurhydranten und Schieber. Auch das halbautomatische Kanalnetz aus Acrylglas hat Platz gefunden in dem Labor. Grüning simuliert damit, durch was für ein komplexes Rohrsystem das Wasser unter Straßen und Häusern fließt, und vor allem, wie es sich darin bewegt. „Ich vermute, in dieser Form ist die Anlage einzigartig in der deutschen Hochschullandschaft“, sagt Grüning. Und das macht die Runde: Vertreter der Universität Duisburg-Essen waren schon zu Besuch in Steinfurt, um sich Tipps abzuholen für den Bau eines eigenen Kanalnetzes im Labor. Außerdem sind regelmäßig Studierende der Ruhr-Universität Bochum zu Gast.
Quelle: FH Münster