Das morgendliche Eiskratzen ist für viele Autofahrer im Winter tägliches Ritual. Auch in der Luftfahrt ist Eis auf der Flugzeughaut lästig, denn vereisende Tragflächen können die Flugfähigkeit einer Maschine beeinträchtigen.
Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) tüfteln an neuen Methoden, die das Eis von Rumpf, Tragflächen und Leitwerken besonders energiesparend entfernen. Dazu haben die Luftfahrtforscher eigens einen Enteisungsprüfstand an der TU-Braunschweig aufgebaut.
Eiskalt enteisen statt schmelzen
Bisher begegnen Flugzeuge der Vereisung in der Luft vor allem mit beheizten Flügelvorderkanten. Dabei wird aus den Triebwerken heiße, komprimierte Luft abgezapft und in die Tragflächen hinein geleitet. Oder Heizmatten wärmen die Flügel mit großem Stromverbrauch. „Bisherige Methoden verbrauchen einfach zu viel Energie, was die Reichweite der Flugzeuge einschränkt“, sagt DLR-Ingenieur Christian Mendig. Er will mit seinen Kollegen vom Braunschweiger DLR-Institut für Faserverbundleichtbau und Adaptronik dem Eis mit allerlei mechanischen Tricks zu Leibe rücken.
„Anstatt das Eis zu schmelzen, wollen wir es ohne Wärme energiesparend abschütteln“, so Mendig. Dazu erproben die Forscher im Braunschweiger Enteisungsprüfstand, wie sie die unversteiften Bereiche der Tragflügel gezielt in Schwingung versetzen können. „Die Vibrationen sollen das Eis brechen und ablösen.“ Weitere Versuche werden mit einer verformbaren Außenhaut am Tragflügel unternommen. „Dabei wird die Außenhaut stark gedehnt, um die Eisanhaftungen ebenfalls mechanisch aufzubrechen“, beschreibt Mendig die neuartige Methode, die Schritt für Schritt weiterentwickelt wird.
Eingebaute Eiserkennung
Um die neuen Methoden präziser zu nutzen, aber auch um das klassische Eisschmelzen energiesparender einsetzen zu können, entwickeln die Ingenieure ebenfalls eine detaillierte Eiserkennung. „Wo genau auf dem Flugzeug befindet sich grobkörniges oder kompaktes Eis in welcher Stärke? Das wollen wir mit unserer Eiserkennung herausfinden“, erklärt Mendig. „Dann kann das Eis gezielt an den betroffenen Stellen eines Flugzeugs geschmolzen oder abgelöst werden, ohne Energie an eisfreien Stellen zu verschwenden.“ Ebenfalls werden alternative Oberflächenbeschichtungen getestet, die dem Eis von vornherein möglichst wenig Halt bieten.
Wie Eis entsteht
Wenn ein Flugzeug in eine Wolke mit unterkühlten Wassertropfen hineinfliegt, können Tragflächen, Leitwerke und Scheiben vereisen. „Die Wassertropfen sind dabei trotz eisiger Temperaturen unter null Grad Celsius in der Luft noch flüssig“, erklärt Mendig. „Treffen sie auf die Flugzeugflügel, gefriert ein Teil sofort. Der andere Teil bildet einen Wasserfilm, der sich auf unterschiedliche Weise entlang der Tragflächen ausbreiten und schrittweise ebenfalls gefrieren kann.“
Ohne Enteisungssystem nimmt der Auftrieb der Tragflächen in solch einer Situation ab, während der Luftwiderstand des Flugzeugs steigt. „Umso mehr Eis an den Tragflächen haftet, desto stärker sind die Auswirkungen. Das führt ohne Gegenmaßnahmen zu einem steigenden Kerosinverbrauch und im Extremfall zum Verlust der Steuerbarkeit“, so DLR-Forscher Mendig weiter. Daher müssen Hersteller im Rahmen der Zulassung neuer Flugzeuge nachweisen, dass diese ausreichend lange unter Vereisungsbedingungen fliegen können. Die dafür notwendigen Kerosinreserven erhöhen das Gesamtgewicht des Flugzeugs und damit auch wieder den Verbrauch.
Forschen im Tiefkühlraum
Der Enteisungsprüfstand der DLR-Forscher in Braunschweig besteht aus einem Windkanal, der in einem wohnzimmergroßen Tiefkühlraum untergebracht ist. Ein Düsensystem sprüht Wassertropfen ein, die von der Strömung beschleunigt werden. Dabei unterkühlen die bis zu einem Drittel Millimeter großen Tropfen unter null Grad Celsius ohne zu gefrieren. In der Messtrecke treffen die Tropfen auf einen Prüfling und gefrieren. Charakteristische Eisarten wie Rau-, Klar- und Mischeis können so erzeugt werden.
(Deutsches Institut für Luft- und Raumfahrt (DLR), 23.01.2015 – AKR)