Vor gerade einmal sieben Jahren, zum Stichtag 1. Januar 2015, waren in ganz Deutschland lediglich 18.948 reine Elektro-Pkw zugelassen. Als das Jahr 2022 anbrach, konnte das Kraftfahrtbundesamt (KBA) dagegen ganze 618.460 Fahrzeuge vermelden – eine Steigerung um unglaubliche 3163,99 Prozent! Elektromobilität hat innerhalb kürzester Zeit einen enormen Bedeutungssprung erfahren, der noch lange nicht abebben wird. Die erfolgreichen Gründe dafür werden auf den folgenden Zeilen ebenso analysiert wie die Frage, was getan, beseitigt und abgestellt werden kann, um diesen steilen Anstieg möglichst lange fortzusetzen.
Eine enorm gestiegene Modellvielfalt
Im bereits erwähnten Jahr 2015 war in Deutschland buchstäblich nur eine Handvoll elektrischer Modelle erhältlich – etwa Teslas Model S, der Nissan Leaf oder der Renault Zoe. Allein dies sorgte für eher geringes Interesse, da die Auswahl so gering war.
Mittlerweile hat sich das gewandelt. Praktisch jeder Fahrzeughersteller ist in die „Elektrooffensive“ gegangen. Viele Marken führen mittlerweile gleich mehrere vollelektrische Modelle im Repertoire. Außerdem haben die Hersteller es in dieser kurzen Zeit geschafft, technische Nachholarbeit zu betreiben. Verschiedene Kinderkrankheiten, die Stromer der ersten Stunde plagten, sind ausgebügelt.
Wer heute ein E-Auto kaufen möchte, hat deshalb kaum noch Limitierungen bezüglich der Fahrzeugklasse oder des Herstellers. Ähnliches ließ sich schon in den 1990ern beobachten. Damals wurden Diesel-PKW von Nischenfahrzeugen (etwa als Taxis) durch eine stark ansteigende Modellvielfalt, Leistungsfähigkeit und Laufkultur enorm bedeutend. 1998 vermeldete das KBA 13,2 Prozent Dieselfahrzeuge; nur zehn Jahre später war der Wert auf 33,6 Prozent angestiegen.
Eine wegweisende Förderung
Neufahrzeuge sind immer kostspielig. Neufahrzeuge, die eine vergleichsweise junge Technik beinhalten, sind noch kostspieliger – auch wenn der Elektroantrieb tatsächlich so alt wie das Automobil selbst ist.
Angesichts dessen waren die Anschaffungskosten für Stromer ein veritables Hindernis, um eine nachhaltige elektrische Verkehrswende einzuläuten. Zudem war die Situation gleich doppelt dramatisch: Solange sich nicht möglichst rasch ein gesunder Bestand von elektrischen Neufahrzeugen etablieren konnte, musste zwangsläufig ebenso der Gebrauchtwagenmarkt hinterherhinken – sein Marktanteil ist alljährlich etwa doppelt so groß wie der von Neuwagen.
2016 berief sich deshalb die Bundesregierung auf die guten Erfolge, die sie bereits einige Jahre zuvor mit der „Abwrackprämie“ gemacht hatte und lobte den sogenannten Umweltbonus aus: 2.000 Euro zahlte der Bund für förderfähige Fahrzeuge, Fahrzeughersteller mussten wenigstens dieselbe Summe als Nachlass gewähren – 4.000 Euro insgesamt, 2018 sogar auf 6.000 erhöht.
Noch erfolgreicher wurde das Modell, als es 2020 um die Innovationsprämie ergänzt und somit verdoppelt wurde. Bei dem unlängst verlängerten Prinzip können Käufer deshalb aktuell bis zu 9.000 Euro für ein reines E-Auto erhalten. Wo beispielsweise ein Kia e-Soul 136 gemäß der aktuellen Liste des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle knapp 29.000 Euro Netto-Listenpreis aufruft, bezahlen also Staat und Händler praktisch ein Drittel des Neufahrzeugs.
Zudem machte die Bundesregierung nicht den Fehler, sich auf herkömmliche PKW zu limitieren. Gefördert werden unter anderem auch Kleintransporter und Micro-PKW, wodurch ein sehr breiter Ansatz für verschiedenste Fahrzeugklassen und Bedürfnisse besteht.
Äußerst sinnvoll ergänzt wird dieser Kaufanreiz um die aktuell noch bis 2030 laufende Befreiung von der Kfz-Steuer.
Gestiegene Reichweiten
Batteriebasierte Elektromobilität bedingt selbst bei der besten Ladetechnik immer eine deutlich längere Auftankpause als Fahrzeuge mit flüssigen Kraftstoffen – sogar Elektroautos mit Brennstoffzelle und Wasserstofftank.
- Nun pendelten beispielsweise 2018 die Deutschen im Schnitt nur 33,8 Kilometer von und zur Arbeit; das lässt sich mit praktisch jedem Elektrofahrzeug bewältigen.
- Außerdem können batterieelektrische Fahrzeuge – ungleich zu wirklich allen anderen Fahrzeugen – überall aufgeladen werden. Darunter praktischerweise dann, wenn sie sowieso stehen müssen, was die allermeisten PKW einen Großteil eines jeden Tages tun.
Dennoch war (und ist streckenweise) die Reichweite das größte Argument das viele vom Umstieg abhielt und -hält. Das gilt paradoxerweise selbst für Menschen, die selten bis nie Strecken von mehreren hundert Kilometern bewältigen. Heißt, es handelt sich also oftmals um ein für die Realität völlig irrelevantes Problem.
Nicht zuletzt deshalb muss die Forschung große Anstrengungen in die Weiterentwicklung von Akkumulator-Techniken investieren. Hauptsächlich deshalb haben Elektrofahrzeuge heute dramatisch gestiegene Durchschnittsreichweiten. Eine privat durchgeführte Studie aus dem Jahr 2020 fand folgendes heraus:
- 2017: 241 km
- 2018: 267 km
- 2019: 324 km
- 2020: 375 km
Bis 2025, so schätzt es die Studie, könnte die durchschnittliche Reichweite mit einer Ladung sogar auf 784 Kilometer ansteigen – womit sie praktisch deckungsgleich mit den meisten Benzinern und Dieseln wäre.
Derartige Steigerungen und ihre Publizierung sind enorm wichtig für die breitgesellschaftliche Akzeptanz. Denn obwohl es Ladestrom buchstäblich „an jeder Ecke“ gibt (notfalls aus einer 230-Volt-Steckdose), so fürchten schlicht viele, mit leerer Batterie im Nirgendwo zu stranden – so selten dies in der Praxis tatsächlich vorkommt.
Förderung und Ausbau der Ladeinfrastruktur
Prinzipiell kann ein Elektrofahrzeug an jeder Schuko-Steckdose geladen werden. Praktisch allerdings ist dies meist nur in wenigen Konstellationen sinnvoll möglich: Durch die geringe Dauerleistung von nur 2.300 Watt werden hier Aufladezeiten von 15 Stunden und mehr benötigt.
Allerdings sind die allermeisten Gebäude wenigstens über den Hausanschluss mit dem 400-Volt-Drehstromnetz verbunden; in modernen Gebäuden ist der sogar für 3 x 35 oder gar 63 Ampere ausgelegt. Damit sind Ladeleistungen von 22.000 Watt und mehr möglich – und entsprechend kurze Ladezeiten.
Erneut erkannte man in das in Deutschland frühzeitig. Sowohl im Bereich öffentlicher als auch privater Ladeinfrastruktur existieren deshalb verschiedene zusätzliche Förderprogramme. Das wohl bekannteste: Das (aktuell jedoch nicht verfügbare) KfW-Programm Nummer 440. Pro Ladepunkt für Privathaushalte werden bis zu 900 Euro bezuschusst, sofern die Installation des Ladepunktes wenigstens die gleiche Summe aufruft.
Das sorgte für einen sprunghaften Anstieg von installierter privater Ladeinfrastruktur und somit einem weiteren wichtigen Baustein, um Elektromobilität insgesamt populärer zu machen. Verstärkt wurde dieser Ansatz 2021 durch ein neues Gesetz, welches Bauherrn von Gebäuden mit mehr als fünf Stellplätzen zur Installation der nötigen Anschlusstechnik für Wallboxen verpflichtet.
Zudem existieren weitere Gesetze und vor allem Förderprogramme auf Bundes-, Landes- und niedrigeren Ebenen, die ebenfalls die Ladestruktur möglichst schnell auf einen adäquaten Stand bringen sollen. Der Erfolg:
- Im Mai 2022 gab es in Deutschland 28.907 öffentlich zugängliche Ladestationen.
- Im gleichen Zeitraum gab es hierzulande jedoch nur 14.458 herkömmliche Tankstellen.
Die Richtung ist diesbezüglich klar erkennbar: Möglichst jedes Elektrofahrzeug soll eine niedrigschwellige Möglichkeit vorfinden, um im ganz normalen Alltagsbetrieb aufgeladen werden zu können, ohne dass der Besitzer dabei untragbare Umwege oder Zeitverzögerungen in Kauf nehmen muss – daher existieren unter anderem Förderprogramme, die Unternehmen unterstützen, wenn sie nichtöffentliche Ladepunkte für ihre Mitarbeiter einrichten.
Vereinheitlichte Stecker
Um Strom zu bekommen, muss ein Elektrofahrzeug natürlich mit jedem irgendwie gearteten Ladepunkt verbunden werden. Hier muss der Fokus erneut die Deutschlandebene verlassen und sich global ausrichten: Auf der Welt existieren zahlreiche verschiedene Netzspannungen, Netzfrequenzen und nicht zuletzt Steckertypen – auf die allgemeine Elektrik bezogen.
Die globale Elektromobilität mit einer ähnlichen Vielfalt weitermachen zu lassen (vor allem bei den Steckern), wäre im höchsten Maß kontraproduktiv. Diesbezüglich gleicht sich nach einigen Jahren der Experimente mittlerweile alles allmählich an: In Europa herrschen Typ-2 und CCS- beziehungsweise Combo-2-Stecker vor. Die einzige Ausnahme stellen Tesla-Fahrzeuge mit ihrem (anders belegten) Typ-2-Derivat dar.
Derartiges ist äußerst wichtig. Denn nur, wenn es möglichst wenige Steckertypen gibt, kann ein gezielter Ausbau der Ladeinfrastruktur erfolgen. Eine Elektromobilität, bei der Fahrer an jeder fremden Ladesäule prüfen müssten, ob diese ihren Anschluss überhaupt besitzt oder wo das Mitführen zahlreicher Adapter nötig wäre, wäre äußerst unattraktiv – verständlicherweise.
Offene Baustellen
Die Elektromobilität hat nicht zuletzt in Deutschland in kurzer Zeit vieles nach- und aufgeholt, was als großes Hindernis für den Mobilitätswandel galt. Allerdings täuscht dies nicht über das Vorhandensein einiger Punkte hinweg, die sich weiterhin als hinderlich erweisen:
- Bezahlsysteme: Es gibt bei öffentlich zugänglichen Ladesäulen ein enormes Chaos an Bezahlsystemen und Bezahlarten. Nur an wenigen Ladepunkten ist es beispielsweise möglich, mit EC- oder Kreditkarten zu zahlen. Vielfach sind irgendwelche Abonnements nötig und teils verschiedenste Apps unterschiedlicher Anbieter zu installieren.
Allerdings handelt es sich bei dieser Baustelle um eine mit konkretem Ablaufdatum: Ab Juli 2023 muss jede neue Ladesäule automatisch ein Kartenterminal als Basis enthalten. Weitere Bezahlsysteme bleiben unangetastet. - Förderlücken: Private Hausbesitzer und öffentliche Stellen werden massiv beim Ausbau von Ladeinfrastruktur gefördert. Bis auf das Mieterstrommodell existiert jedoch bislang noch kein umfassender Ansatz für Mehrparteiengebäude und Wohnanlagen. Da jedoch die meisten Deutschen in solchen Gebäuden leben, verbleibt eine Lücke.
- Stromnetzausbau: Langfristig müssen mehr als 40 Millionen Verbrenner allein in Deutschland durch Elektrofahrzeuge ersetzt werden. Aktuell kann das Stromnetz die damit einhergehenden Leistungsanforderungen tragen. Ob das allerdings in Zukunft durch den nötigen Ausbau weiterhin so bleiben wird – vor allem aus Stromkostensicht – ist nicht so sicher. Zudem muss der Impakt der Elektromobilität auf den Gesamtstrombedarf betrachtet werden, wodurch der Wandel zu einer möglichst grünen Stromerzeugung ebenfalls teurer und aufwendiger wird.