Laut einer 2023 erschienen Studie des Karlsruher Instituts für Technologie könnte jedes zweite Einfamilienhaus in Europa theoretisch energieautark sein. Tatsächlich ist das Interesse an energetischer Autarkie in Zeiten steigender Versorgerpreise und großer Blackout-Ängste hoch. Das größte Potenzial erkannte das Forscherteam dabei in Ländern wie Spanien. Denn auf das Jahr gesehen ist dort mit den geringsten Wetterschwankungen zu rechnen. Dadurch versprechen Photovoltaikanlagen einen relativ konstanten Ertrag. Trotz winterlicher Ertragsschwankungen im Hinblick auf Solarenergie werden energieautarke Häuser auch in Deutschland ein Zukunftsthema sein. Wegen der hohen Strompreise haben Verbraucher hierzulande vor allem an autarker Stromversorgung großes Interesse.
Energieunabhängigkeit in Deutschland: Wieso 100-prozentige Autarkie noch immer selten ist
Wenn sich ein Haus unabhängig von der Außenwelt mit Strom, Wärme und Wasser versorgen kann, ist es von öffentlichen Versorgungsnetzen unabhängig. Dieses Konzept wird als energetische Autarkie beschrieben. Neben einer leistungsstarken Solar- oder Photovoltaikanlage benötigen Einfamilienhäuser für den Ansatz vor allem einen passend dimensionierten Batteriespeicher und einen Wasserstoffspeicher. Letzterer hält produzierte Energie auf lange Sicht verfügbar. Nur so lässt sich der jeweilige Energiebedarf auch bei schlechtem Wetter und im Winter decken. Der Batteriespeicher dient im Unterschied dazu zur kurzfristigen Speicherung von Stromerträgen. Das System kann etwa den tagsüber produzierten Strom aus Solaranlagen bevorraten. So steht die gewonnene Solarenergie auch in der Nacht und am frühen Morgen zur Verfügung.
Wenn auch die Wärmeversorgung auf unabhängige Weise erfolgen soll, ist zusätzlich zu eigenen Stromgewinnungsanlagen eine dezentrale Heizungsanlage erforderlich. Eine Hybridheizung aus Wärmepumpe und Ofen ist in diesem Kontext nur eine von vielen Möglichkeiten. Die Wasserversorgung kann zur Erhöhung der Autarkie über einen eigenen Brunnen erfolgen. In der Theorie sind energieautarke Häuser auf Basis solcher Systeme schon heute eine Möglichkeit. 100-prozentige Autarkie lässt sich in Einfamilienhäusern bis heute aber nur schwer erreichen. Denn die entsprechenden Systeme müssten überdimensioniert werden, um dauerhaft und das ganze Jahr über für eine störungsfreie Energieversorgung zu sorgen. Dementsprechend sind die größten Hürden für vollständige energetische Autarkie bislang
- die hohen Kosten: Eine 100-prozentige Autarkie erfordert große Erzeugungsanlagen, die den Großteil des Jahres überschüssige Energie produzieren. Jene sind meist teuer und oft kaum wirtschaftlich. Dabei spart ein Haus auf lange Sicht mehr Energiekosten, wenn die Anlagen möglichst wirtschaftlich dimensioniert werden. Das gilt auch dann, wenn dabei keine 100-prozentige Autarkie besteht.
- der hohe Platzbedarf, der mit entsprechenden Erzeugungsanlagen und Speichersystemen verbunden ist. Ein durchschnittliches Einfamilienhaus hat für überdimensional große Systeme kaum Aufstellmöglichkeiten.
- das Ausfallrisiko, das mit der vollständigen Unabhängigkeit vom Heizungs- und Stromnetz einhergeht. Falls es zu Defekten an den eigenen Anlagen kommt, können Flauten bei einer bestehenden Verbindung zum öffentlichen Netz in Sekundenschnelle überbrückt werden. Kappt man alle Verbindungen und ist 100-prozentig autark, bleibt man bis zur Reparatur durch einen Techniker ohne Energieversorgung.
Photovoltaikanlage: Stromversorgung mit einem Autarkiegrad von bis zu 80 Prozent
Zur autarken Stromversorgung werden meist Photovoltaikanlagen verwendet. Denn jene sind kostengünstiger als Optionen wie Windräder und Blockheizkraftwerke. Wer die wichtigsten Informationen zur Photovoltaikanlage kennt, erreicht mit ideal dimensionierten Modellen ohne Speichersystem einen Autarkiegrad zwischen 30 und 40 Prozent. Ist für Speichermöglichkeiten gesorgt, steigt die Autarkie auf das Doppelte. Dabei verbraucht ein vierköpfiger deutscher Haushalt durchschnittlich 4.000 Kilowattstunden Strom. Eine passend dimensionierte PV-Anlage kann in diesem Fall Solarstrom in einer Höhe von 6.000 Kilowattstunden liefern. Dies bedeutet aber nicht automatisch, dass die gelieferte Energie komplett im eigenen Haus verbraucht werden kann.
Ohne Stromspeicher können nur etwa 1.500 Kilowattstunden der produzierten Energie in den Eigenverbrauch fließen. Denn der Strom muss ohne Speichersystem immer dann verbraucht werden, wenn er hergestellt wird. Wird die PV-Anlage mit passenden Speichern kombiniert, steigt der Autarkiegrad auf 70 bis 80 Prozent, wobei sich 100-prozentige Werte mit Cloudlösungen erreichen lassen. Dabei wird überschüssige Solarenergie bei Produktionsspitzen in einer Cloud gespeichert und kann bei Bedarf abgerufen werden. Allerdings ist die Stromversorgung auch in diesem Fall nicht vollständig unabhängig. Denn man ist auf einen Cloudanbieter angewiesen, der im Falle eines bundesweiten Blackouts nicht zur Verfügung steht.
Experten-Tipp zum Autarkiegrad von PV-Anlagen
Neben Stromspeichern und Cloudspeicher-Lösungen kann auch eine Wallbox den Autarkiegrad von Solaranlagen steigern. Dasselbe gilt für Stromabnehmer wie Wärmepumpen. Dabei sollten Verbraucher immer bedenken, dass die Eigenverbrauchsquote aus finanzieller Sicht noch wichtiger ist als der Autarkiegrad. Liegt der Eigenverbrauch des Solarstroms im Falle eines 80-prozentigen Autarkiegrads beispielsweise bei nur 25 Prozent, dann wurde die Anlage nicht optimal geplant. Zusätzliche Stromverbraucher wie eine Wärmepumpe können den Eigenverbrauch in diesem Fall steigern und dadurch finanzielle Vorteile schaffen.
Autarke Wärmeversorgung: 100-prozentige Netzunabhängigkeit mit Wärmepumpen und Co.
Im Hinblick auf die Wärmeversorgung sind viele deutsche Häuser heutzutage vollständig autark, weil sie mit dezentralen Heizungsanlagen ausgestattet sind. Solarthermieanlagen sind dabei auch unabhängig von der Brennstoffbeschaffung und somit die autarkste Möglichkeit der Wärmeversorgung. Allerdings können sie den Wärmebedarf als alleiniges Heizsystem nicht vollständig decken. Besonders in den Wintermonaten und damit der Zeit des höchsten Heizbedarfs gewinnen Solarpaneele nicht ausreichend Energie zum Heizen. Daher werden Solarthermieanlagen oft mit Kaminöfen oder Pelletheizungen kombiniert. Auch Hybridheizungen aus Wärmepumpe und Holzheizung sind heute beliebte Systeme. Bei Wärmepumpen können etwa 30 Prozent des Strombedarfs per Photovoltaikanlagen gedeckt werden. Ist ein passender Stromspeicher vorhanden, sind es bis zu 80 Prozent. Das heißt im Umkehrschluss allerdings, dass Wärmepumpen als alleinige Heizsysteme nicht völlig energieautark sind. Denn die restlichen 20 Prozent Strom zum Betrieb der Heizsysteme müssen aus dem öffentlichen Stromnetz zugekauft werden. Werden sie als Hybridheizung mit einem Holzofen kombiniert, ist dies nicht zwingend notwendig.
Abschluss-Tipp zu energieautarken Einfamilienhäusern
Je geringer der zu deckende Energiebedarf eines Hauses, desto leichter kann man damit einen hohen Autarkiegrad erreichen. Insofern vereinfachen Energiesparhäuser die autarke Versorgung. Insbesondere ein hoher Dämmstandard ist in dieser Hinsicht ein entscheidendes Kriterium. Abgesehen davon sollten auch alle Einzelelemente der Heizungsanlage auf einen niedrigen Verbrauch und eine maximale Effizienz ausgelegt sein. Wenn man zudem Energiespartipps beherzigt und den Energieverbrauch dadurch weiter senkt, benötigt man für einen hohen energetischen Autarkiegrad weniger leistungsstarke und kostspielige Anlagen.