Forschende der Universität Stuttgart, der ETH Zürich und der schweizerischen Empa haben eine Methode vorgestellt, mit der sich Holzplatten in einem kontrollierten Trocknungsprozess ohne Maschinenkraft in eine zuvor berechnete Form biegen.
Selbstformende Mechanismen finden sich in der Natur zum Beispiel bei Pflanzen, die ihre Form ändern, um ihre Samen freizusetzen. Diese Veränderungen erfolgen ohne mechanische oder elektrische Beeinflussung sowohl in zwei- als auch in dreidimensionaler Richtung. Will man dagegen Holz zu gekrümmten oder verdrehten Strukturen verformen, braucht man bisher große und energieintensive Maschinen, welche die Bauelemente in die gewünschte Form pressen.
In der in Science Advances veröffentlichten Studie zeigen Forschende der Universität Stuttgart, der ETH Zürich und der Empa nun auf, wie gekrümmte Geometrien in Zukunft ohne komplexe und aufwändige mechanische Umformprozesse eingesetzt werden können. Gemeinsam haben sie einen Ansatz entwickelt, bei dem sich massive Holzbauelemente ohne äußere Krafteinwirkung selbst in eine vordefinierte Form biegen. Hierfür übertrugen die Wissenschaftler die aus der Natur bekannten Mechanismen, die bereits bei kleinen biomedizinischen Geräten zum Einsatz kommen, mit Hilfe modernster Modellierungstechnologien in einen großen Maßstab. So konnten sich bogenförmige Holzgebäudeteile von bis fünf Metern Höhe selbst formen.
„Der ausgeklügelte Einsatz der Selbstformung ermöglicht es uns, einem uralten Baumaterial wie Holz neue Funktionen zu verleihen“, erläutert Dylan Wood, Leiter der Forschungsgruppe Materialprogrammierung am Institut für Computerbasiertes Entwerfen der Universität Stuttgart. „Dies eröffnet neue Wege für ein nachhaltiges und dennoch leistungsstarkes Bauen sowie eine neue Perspektive auf die digitale Konstruktion und Fertigung von hölzernen Groß-Bauteilen mit komplexen Geometrien“.
Unerwünschtes Verhalten zu Nutze gemacht
Das Verfahren der Selbstformung basiert auf dem natürlichen Quellen und Schwinden von Holz in Abhängigkeit seines Feuchtegehalts: Trocknet feuchtes Holz, zieht es sich senkrecht zur Faserrichtung stärker zusammen als längs der Faserung. Das Verziehen ist normalerweise unerwünscht. Die Forschenden nutzen diese Eigenschaft hier jedoch gezielt, indem sie jeweils zwei Holzschichten so zusammenkleben, dass ihre Faserungen unterschiedlich orientiert sind. Die «Bilayer» genannte Holzplatte mit ihrem zweilagigen Schichtaufbau ist der Grundbaustein der neuen Methode. Wenn der Feuchtigkeitsgehalt Bilayer sinkt, schrumpft eine Schicht stärker als die andere. Da die beiden Schickten fest miteinander verklebt sind, biegt sich das Holz. Je nach Dicke der Schichten, Orientierung der Fasern und dem Feuchtegehalt kann man nun mit einem Computermodel berechnen, wie sich das Grundbauelement während der Trocknung verformt. Die Forschenden nennen diesen Prozess «Holz-Programmierung».
Gebogene Bauteile für Dachkonstruktionen und Wände weisen im Vergleich zu flachen Teilen eine höhere strukturelle und materialwissenschaftliche Leistungsfähigkeit auf und eröffnen neue architektonische Möglichkeiten. Die selbstformende Fertigung ermöglicht nun, mit hoher Krümmung effizient herzustellen.
Quelle: Universität Stuttgart