Es ist das älteste staatliche Rentensystem der Welt. Gleichsam gibt es in Deutschland kaum etwas, was von Anhängern aller politischer Lager in derart ungewohnter Einträchtigkeit kritisiert wird. Doch wo liegen die Baustellen – und lässt sich überhaupt etwas von Substanz ändern, ohne das gesamte Grundprinzip über Bord zu werfen?
Wachsender Abstand zum Lohnniveau
Das deutsche Rentensystem besteht aus der gesetzlichen Rente, unterstützt durch private und betriebliche Altersvorsorge. Sie alle sind somit miteinander verknüpft. Daher ist es beinahe gleich, welches man zuerst nennt. Vor allem die gesetzliche Rente, auf der hier der Fokus liegen soll, hat verschiedene Problemzonen.
Tatsache ist: Zwischen dem, was ein Mensch im Lauf seines Berufslebens verdient und was er nach dem Renteneintritt aus der staatlichen Versicherung erhält, klafft eine bedenkliche Lücke. Wer heute (Ende 2024) nach den durchschnittlichen 45 Beitragsjahren in Rente geht, der bekommt von der Bundesrepublik lediglich ein Rentenniveau von (mindestens) 48 Prozent garantiert. Zum Vergleich: 1977 belief sich das west-deutsche Niveau auf 59,8 Prozent.
Dabei ist nur dann ein finanziell entspannter Lebensabend möglich, wenn das Niveau bei zirka 80 Prozent des letzten Gehalts liegt. Diese Lücke zwischen zu erwartender und tatsächlich benötigter Rente kann und sollte jeder für sich selbst ausrechnen; dafür gibt es spezielle Tools, die mit einigen persönlichen Basisdaten zu bestücken sind. Folgerichtig sind immer mehr Menschen gezwungen, ihre Altersversorgung privat aufzupolstern.
Die große Schwierigkeit: Jene 48 Prozent sind absehbar noch nicht die Untergrenze. Wohl wollte die Ampelregierung vor ihrem Zerbrechen noch dieses Niveau durch das „Rentenpaket II“ längerfristig stabilisieren. Jedoch ist zum einen derzeit (Ende 2024) nicht klar, was aus dem Gesetz wird. Zum anderen gehen verschiedene Berechnungen davon aus, dass der Wert im Verlauf der 2030er auf 46 oder gar 43 Prozent absinken könnte.
Stellt sich die Frage: Warum ist das Niveau allein seit dem Jahrtausendwechsel um 10 Prozentpunkte gesunken? Die Antwort liegt in den vielen miteinander verknüpften Problemen des Systems. Zunächst diesem:
Immer mehr Rentner, immer weniger Erwerbstätige
Das Finanzierungsprinzip der deutschen Rente ist relativ simpel: Jeder versicherungspflichtige Arbeitnehmer sowie dessen Arbeitgeber zahlen je zur Hälfte ein. Heutige Beitragspflichtige bezahlen so die Renten der heutigen Bezieher und erwerben dadurch das Recht, selbst im Alter von der dann arbeitenden Generation versorgt zu werden – das seit 1957 (in West-Deutschland) praktizierte Umlageverfahren.
Damit das funktioniert, ist es nötig, jeden einzelnen Rentenbezieher durch mehrere Erwerbstätige zu finanzieren. Lange Zeit funktionierte das bestens. Dahinter standen viele demografische Gründe, insbesondere Geburtenzahlen, unterschiedliche Kopfstärken der Alterskohorten und die Lebenserwartung.
Bloß liegt darin ebenso eine der großen Grundproblematiken. 1962 beispielsweise kamen in West-Deutschland sechs Erwerbstätige auf einen Rentner. Mitte der 1970er war das Verhältnis bereits auf 4:1 geschrumpft, heute beläuft es sich auf zirka 1,8:1.
In der Hauptsache liegt das in stark unterschiedlichen Geburtenzahlen bzw. Alterskohorten-Stärken. Hinzu kommt außerdem, dass im Zuge der Wende Millionen DDR-Bürger ins System aufgenommen wurden – eine völlig alternativlose, aber dennoch wirkmächtige Maßnahme.
In der Folge ist heute nicht bloß das allgemeine Verhältnis Rentenbezieher zu Beitragszahler schlecht, sondern es gibt dazu in absoluten Zahlen mehr Rentner als in früheren Jahrzehnten. Das gilt besonders, weil derzeit mit den Baby-Boomern die geburtenstärkste Alterskohorte der gesamten Nachkriegsepoche (PDF-Doc) allmählich verrentet wird. Eng damit verwoben ist eine weitere Herausforderung:
Steigende Lebenserwartung – längere Bezugsdauer
An diesem Punkt haben wir es aufgrund der nach den Boomern erheblich gesunkenen Geburtenraten mit wenigen Beitragszahlern pro Rentner zu tun und außerdem mit insgesamt mehr Rentnern als in früheren Jahrzehnten. Schon das allein würde das System belasten. Jedoch kommt noch erschwerend hinzu, dass diejenigen, die Rente beziehen, das heutzutage erheblich länger tun.
Wer 1960 im Westen in Rente ging, der brachte es auf eine durchschnittliche Bezugsdauer von 9,9 Jahren. 60 Jahre später hatte sich dieser Wert auf 20,2 Jahre mehr als verdoppelt. Die Gründe dafür:
- Über die Jahrzehnte wurden Berufe und Lebenswandel erheblich weniger unsicher, gesundheitsbelastend usw.
- Die Medizin machte bahnbrechende Leistungssprünge. Egal ob bei der Diagnostik, der Früherkennung, der Medikamentierung oder anderen Formen der Therapie.
Der doppelte Effekt: Wer sich dieser Tage am Ende seiner Lebensarbeitszeit befindet, der geht bereits mit einer im Durchschnitt deutlich rüstigeren Konstitution in die Rente. Anschließend hilft die Medizin ihm, gesünder zu bleiben und älter zu werden.
Das war in früheren Zeiten vielfach anders. Etwa, wenn jemand lebenslang einen körperlich stark belastenden, ungesunden Beruf ausübte. Eine solche Person war beim Renteneintritt meistens bereits angeschlagen und konnte im weiteren Verlauf von heute gängigen medizinischen Möglichkeiten nur träumen.
Dieser Anstieg wird sich zudem keineswegs umkehren oder anhalten lassen. In den kommenden Jahren werden Menschen mit höchster Wahrscheinlichkeit noch älter werden. Denn natürlich bleibt die Entwicklung nicht stehen. Der einzige Hebel besteht darin, die Bezugsdauer anderweitig zu verkürzen. Genau das ist jedoch eine weitere Problemzone des Systems:
Vergleichsweise hohes abschlagsfreies Eintrittsalter
In den vergangenen Jahren waren in den Medien immer wieder sehr ähnlich klingende Forderungen vonseiten diverser Experten zu lesen und zu hören. Tenor: „Eine Gesellschaft, die im Durchschnitt immer älter wird, sollte dementsprechend auch bis in ein höheres Alter arbeiten gehen, als es derzeit der Fall ist.“
Volks- und betriebswirtschaftlich betrachtet mag das eine nur allzu logische Forderung sein. Besonders unter Betrachtung des rissigen deutschen Rentensystems. Bloß hat diese Medaille zwei Seiten, wobei die Forderungen den Faktor Mensch weitgehend ignorieren:
- Deutschland hat mit 67 Jahren zusammen mit Island und Norwegen (ebenfalls 67 Jahre) bereits jetzt das höchste Renteneintrittsalter in Europa.
- Durchschnittlich älter zu werden und dabei gesünder zu sein, bedeutet nicht zwangsläufig, weiterhin eine vollwertige Arbeitsleistung erbringen zu können. Das hängt nicht zuletzt maßgeblich vom Beruf und seinen Anforderungen ab.
- Keine seriöse Umfrage in jüngster Vergangenheit fand auch nur annähernd eine Mehrheit für ein noch höheres Eintrittsalter. Im Gegenteil, die meisten Befragten votieren sehr deutlich für ein verringertes Alter. Das zeigt sich ebenso im enormen Erfolg des abschlagfreien früheren Renteneintritts für Menschen, die vor 1963 geboren wurden.
Kurzum: Die Forderungen vonseiten der Wirtschaft und Teilen der Politik stehen konträr zum Willen der meisten Beschäftigen. Da diese das erheblich größere Wählerpotenzial aufweisen, lässt sich dieser Wunsch keinesfalls ignorieren.
Sinkende Beitragsjahre durch späteren Berufseinstieg
Deutschland hat sich über die Jahre hinweg zu einem Land der Hochschulabsolventen entwickelt. Das hat diverse Vorteile – jedoch nicht unbedingt für das Rentensystem. Denn obwohl Hochschulabsolventen im späteren Berufsleben teilweise mehr verdienen und dadurch mehr pro Kopf in die Rentenkasse einzahlen, so starten sie generell erheblich später ins Berufsleben.
Wohl sank das Alter von Akademikern beim Berufseinstieg vom Jahrtausendbeginn bis heute (2003: 27,9 Jahre, 2023: 23,6 Jahre). Doch ebenso stieg das Alter für den Einstieg in eine Berufsausbildung an. Es belief sich 2020 auf 19,7 Jahre.
Das wird vor allem zum Problem, wenn man es mit der Vergangenheit vergleicht:
- 2021 waren etwa 1,6 Millionen Menschen im Alter zwischen 15 und 24 abhängig beschäftigt.
- 1960 belief sich der Wert auf 7 Millionen junge Menschen – wobei man damals noch den Bereich zwischen 15 und 25 erfasste.
In der Hauptsache liegt das daran, dass heute erheblich weniger Minderjährige bereits in einer Berufsausbildung sind. Noch bis in die 1960er hinein erhielten die meisten Jugendlichen nach acht Jahren „Volksschule“ ihren Abschluss und starteten anschließend typischerweise in eine Ausbildung. Bedeutet, mit zirka 15 Jahren sie schon, im Rahmen ihrer Ausbildungsvergütung in die Rentenkasse einzuzahlen. Durch das durchschnittlich mehrere Jahre ältere gegenwärtige Einstiegsalter entsteht hier eine deutliche Lücke.
Zumal heutige Akademiker nicht zwingend zu den Top-Verdienern gehören, sondern je nach Abschluss lediglich Durchschnittsgehälter erhalten. Das Mehr an Menschen mit Hochschulabschluss wirkt sich also nicht ausgleichend auf das Rentensystem aus.
Von der Versicherungspflicht nicht erfasste, erhebliche Bevölkerungsgruppen
2023 waren 87,1 Prozent aller Erwerbstätigen hierzulande gesetzlich rentenversichert – 83,5 Prozent waren Pflichtversicherte, der Rest Freiwillige. Das sieht nur augenscheinlich nach einem passablen Wert aus. Denn es bedeutet umgekehrt, mehr als 12 Prozent aller, die hierzulande einer steuerpflichtigen beruflichen Tätigkeit nachgehen, zahlen nicht in die Rentenversicherung ein. Und das, obwohl die meisten davon später davon eine Altersabsicherung erhalten – zwar nicht aus der Rentenkasse, aber vom Staat und somit über Steuergelder finanziert.
Von diesen 12,9 Prozent aller Erwerbstätigen entfällt ein knappes Drittel (31 Prozent) auf Beamte. Deren Versorgungssystem ist ein weiteres Beispiel dafür, woran das Rentenversicherungssystem krankt:
Enorme Unterschiede zwischen Renten und Pensionen
Wie bereits angesprochen, bekommen Beitragszahler in die Rentenversicherung mit Pech nur 48 Prozent als Rente ausbezahlt. Ein wichtiges Detail haben wir dabei ausgespart, um zeigen zu können, wie stark sich das Rentensystem vom Pensionssystem der Beamten unterscheidet:
- Das Rentenniveau bezieht sich auf den jeweiligen Durchschnittsverdients der Gesamtheit aller in die Kasse Einzahlenden. Es betrachtet nicht beispielsweise das letzte persönliche Gehalt vor der Rente. Das ist vor allem für all jene kritisch, die (zuletzt) mehr verdienten als der Medianwert.
- Bei Beamten hingegen dienen die Bezüge der letzten beiden Jahre vor der Pensionierung als Grundlage. Also ein Wert, der bei den meisten Menschen durch Berufsjahre, Erfahrung usw. das Lebensmaximum darstellt. Gedeckelt ist dieser Wert auf derzeit 71,75 Prozent dieser Dienstbezüge, die bereits nach 40 Dienstjahren erreicht werden können. Im Durchschnitt erhielten Beamten 2023 immerhin ein Ruhegehalt von 66,9 Prozent.
Anfang 2023 beklagte der damalige Linken-Bundestagsfraktionschef Dietmar Bartsch diese Ungleichheit und nannte dazu Zahlen:
„Wenn 82 Prozent der Renten im Land unter 1.500 Euro liegen,
gleichzeitig aber mehr als 70 Prozent der Pensionen oberhalb von 2.000
Euro, ist der Befund klar: Am Ende eines langen Arbeitslebens gibt es
eine Zweiklassengesellschaft im Alter.“
Diese Sichtweise deckt sich mit vielen Umfragen. Kritisiert wird weniger die Berechnungspraxis und Höhe der Beamtenpensionen als vielmehr der Umstand, dass das Rentensystem im Vergleich dazu erheblich schlechter abschneidet. Mit anderen Worten: Nur wenige wollen den Beamten ihre Ruhebezüge kürzen, sondern stattdessen die Renten auf einem ähnlichen Level sehen.
Allerdings gibt es durchaus Forderungen, diese Teilung generell aufzubrechen. Das bedeutet, privatwirtschaftlich Beschäftigte sowie Beamte würden unterschiedslos in die Rentenversicherung einzahlen. Kurz- und mittelfristig könnte das in der Tat das Finanzvolumen der Kassen erhöhen. Der langfristige Erfolg hingegen ist zweifelhaft. Denn durch Einzahlung entsteht Anspruch. In 10, 20 Jahren stünden wir daher wieder vor einem ähnlichen Problem.
Ungleichheit zulasten vulnerabler Bevölkerungsgruppen
Altersarmut betrifft viele Personengruppen. Keine ist jedoch stärker betroffen als die der alleinerziehenden Frauen. Zwei von drei Solo-Müttern hierzulande sind im Alter davon betroffen. Der Grund ist eine komplexe Verkettung von
- im Schnitt niedrigeren Gehältern,
- niedrigeren Beiträgen durch die Erziehungszeit und
- nur selten ausreichenden Ausgleichen durch Anrechnung dieser Zeiten.
Bei vielen Müttern kommt erschwerend hinzu, dass diese – wenn überhaupt – Unterhaltszahlungen erhalten, die nicht einmal das Mindestniveau erreicht. Im Schnitt stehen drei Viertel aller alleinerziehenden Mütter so dar und ihr Problem schleift sich bis ins Rentenalter durch.
Große Bürokratie und Ineffizienz des gesamten Apparats
Viele staatliche Systeme, die seit langer Zeit existieren und an denen immer wieder justiert wurde, neigen dazu, mit der Zeit überaus komplex zu werden. Die deutsche staatliche Rente mit Einführungsjahr 1889 ist dafür ein Paradebeispiel. Nicht zuletzt deshalb, weil das System sechs Staatsformen erlebte:
- Kaiserreich,
- Weimarer Republik,
- Drittes Reich,
- alte Bundesrepublik,
- DDR und
- Nachwende-BRD.
Allein die bloße Berechnung des persönlichen Rentenanspruchs ist hochkomplex. Es gibt zahlreiche Ausnahmen und Sonderfälle, unterschiedliche Berechnungssätze, Nachweispflichten und nicht zuletzt muss vieles beantragt werden.
Die Kindererziehung ist ein gutes Beispiel hierfür: Erziehungszeiten können gutgeschrieben werden. Jedoch müssen diese einerseits im Rahmen einer sogenannten Kontenerklärung vermerkt bzw. beantragt werden – es geschieht also nicht automatisch. Andererseits bekommen Eltern für Kinder, die vor 1992 geboren wurden, maximal 30 Monate Erziehungszeit gutgeschrieben, für Geburten ab 1992 hingegen maximal 36 Monate.
Hinzu kommen noch Dinge wie die Aufteilung auf 16 unterschiedliche Rentenversicherungsträger, wovon 14 regional und 2 bundesweit zuständig sind. Oder etwa eine „Verschlimmbesserung“ wie die Grundrente. Wie kürzlich bekannt wurde, erreicht sie erheblich weniger Menschen als gedacht und hat gleichzeitig für eine weiter gesteigerte Bürokratie gesorgt.
Die Gretchenfrage: Ist das bisherige System noch zu retten?
Deutschlands staatliche Rente war die weltweit erste dieser Art. Sie ist deshalb nicht weniger als ein Meilenstein der Menschheitsgeschichte und Arbeitnehmerrechte, von dem man mit Fug und Recht behaupten darf, er habe alle anderen staatlichen Rentensysteme beeinflusst. Zudem kann das System bis zum heutigen Tag jeden Arbeitnehmer zumindest grundlegend versorgen.
Jedoch: Das deutsche Rentenversicherungssystem stößt wertneutral immer stärker an seine Grenzen. Nicht einmal unbedingt, weil es ein inhärent schlechtes System wäre. Sondern vielmehr, weil es in seinen ganzen Grundprinzipien für Gegebenheiten gestaltet wurde, die in dieser Form immer weniger in der Gegenwart anzutreffen sind.
Nehmen wir zum Beispiel den Grundsatz der Beitragsdeckelung. Eigentlich soll die Rente sich allein durch die Beiträge der einzahlenden Arbeitnehmer, Arbeitgeber und freiwillig Versicherten finanzieren – und tat es auch lange Zeit. Doch allein 2023 musste der Staat die Rentenversicherung mit nicht weniger als 112,4 Milliarden Euro unterstützen. Dieses Geld stammt aus dem allgemeinen Steueraufkommen. Das heißt,
- viele Arbeitnehmer und Firmen zahlten dadurch sozusagen „durch die Hintertür“ zusätzlich in die Rentenkasse ein und
- das Geld fehlte dem Staat an anderer Stelle.
Nun kann man durchaus argumentieren, dass die Sicherstellung der Renten für einen modernen Staat zu den wichtigsten Aufgaben gehört. Das Problem ist jedoch, dass das jetzige Rentensystem diese Angelegenheit unnötig komplex und gleichsam nicht effizient macht.
Das deutsche staatliche System ist nicht an sich schlecht, es hat viele gute Ansätze. Aber es wird vor allem im internationalen Vergleich immer schlechter. Anfang 2023 rankte es im vielbeachteten „Mercer Global Pension Index“ bereits nur auf Gesamtrang 17. Ein Jahr später war es auf Platz 20 abgerutscht.
Derzeit (Ende 2024) ist nicht zuletzt durch das Zerbrechen der Ampelregierung vieles in einem intransparenten schnellen Fluss gefangen. Jedoch erscheint aus heutiger Sicht vieles davon nur eine Fortsetzung des bisherigen „Flickwerks“.
So möchte beispielsweise die CDU anscheinend Rentner durch Steuer-Boni zum längeren Arbeiten motivieren. Die Ampel hingegen wollte im „Rentenpaket II“ unter anderem einen Wandel zu einer sogenannten Aktienrente umsetzen und dadurch die Leistungen längerfristig stabilisieren. Wie es damit allerdings weitergeht, ist aktuell völlig offen. Kritisiert wird das Paket primär, weil sich die Beitragsobergrenze von bislang 20 Prozent nach oben verschieben würde.
Kann das System in seiner jetzigen Form durch umfassende Modifikationen wenigstens von seinen drängendsten Problembereichen befreit werden? Möglich. Allerdings braucht es dafür nicht zuletzt jede Menge politischen und gesellschaftlichen Willen – insbesondere gegen die zu erwartenden Widerstände. Zudem wäre, wie schon bei den meisten bisherigen Änderungen, nicht absehbar, bis wann die Verbesserungen hielten, bevor sich ein neues Problem auftut.
Schlussstrich oder Optimierung?
Daher plädieren verschiedene Experten dafür, einen sauberen Schlussstrich vorzubereiten. Das heißt, ein von Grund auf neues Rentensystem zu erstellen (gerne durch andere Länder inspiriert), es „einsatzbereit“ zu machen und zu einem Stichtag einen vollständigen Wechsel zu vollziehen.
Das wäre allerdings fraglos eine Mammutaufgabe, die mutmaßlich länger als eine Bundestags-Legislaturperiode benötigt. Außerdem müsste sie aufgrund der hochkomplexen Materie sämtliche Parteien ebenso einbeziehen wie alle wichtigen Verbände von Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Angesichts der Diskussionen, die das Rentenpaket II auslöste, kann man sich ausmalen, wie schwierig es werden dürfte, hierbei zu einer Einigung zu kommen.
Mit anderen Worten: Sicherlich wäre es theoretisch die langfristig bessere Lösung, von einem „weißen Papierblatt“ ausgehend ein neues System zu kreieren. Praktisch hingegen dürfte solch ein Konzept nur unter höchsten Schwierigkeiten umzusetzen sein und nicht zuletzt die Spaltung der Gesellschaft weiter vertiefen – weil es dabei immer Gewinner und Verlierer gibt.
Insofern erscheint es zumindest als praxistauglichere Lösung, das bisherige System zu optimieren. Selbst wenn das ebenfalls Diskussionen entfacht und vielfach Probleme nur in die Zukunft zu verlagern scheint.